- Martin Kinkel, 41 Jahre, diplomierter Volkswirt
Müssen Praktikanten eigentlich Steuern zahlen? Finanzexperte Martin Kinkel über Bafög, Sozialversicherung, Kindergeld und Fiskalisches.
Müssen Praktikanten und Werkstudenten eigentlich Steuern zahlen?
Kinkel: Ja, Einkünfte als Praktikant oder Werkstudent sind grundsätzlich steuerpflichtig. Ausnahme: die so genannten "Minijobs", also "400-Euro-Jobs". Das wird häufig bei Werkstudenten der Fall sein. Auch normale Nebenjobs wie Bedienung in einer Kneipe werden oft als Minijob angeboten. Einkünfte aus einem Minijob sind grundsätzlich steuerfrei, auch zusätzlich zu einem weiteren regulären Job. Allerdings können sich diese Einkünfte negativ auf den Kindergeldanspruch der Eltern auswirken.
Mein Tipp: Hat Ihr Arbeitgeber auf Ihre Einnahmen Lohnsteuer ans Finanzamt abgeführt, können Sie sich diese oft mit einer freiwilligen Steuererklärung zurückholen.
Wann ist denn der Kindergeldanspruch der Eltern in Gefahr?
Kinkel: Für volljährige Kinder erhalten Eltern bis zum 27. Geburtstag - plus Wehr-/Zivildienst - unter anderem dann Kindergeld, wenn sich das Kind in Ausbildung befindet, also zum Beispiel eine Lehre oder ein Studium absolviert. Einkünfte und Bezüge des Kindes dürfen nicht über 7.680 Euro pro Jahr liegen. Ist dies erfüllt, bekommen die Eltern auch für die Zeit des Praktikums Kindergeld. Allerdings gibt es zwei wichtige Unterschiede zwischen Ihrer eigenen Steuerpflicht und dem Kindergeldanspruch Ihrer Eltern: In Ihrer eigenen Steuererklärung dürfen Sie neben den Werbungskosten - etwa Fahrtkosten zur Arbeit - auch Sonderausgaben - wie Kosten für das Studium und bestimmte Versicherungsbeiträge - und außergewöhnliche Belastungen - zum Beispiel Eigenleistungen bei Medikamenten und Krankenbehandlungen - steuerlich absetzen. Für die Berechnung, ob Ihre Eltern für Sie Kindergeld
erhalten, dürfen Sie nur die Beiträge zur Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung abziehen. Weitere Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen sind nicht abziehbar.
Für die eigene Steuerpflicht von Praktikanten zählen nur die Einnahmen, die tatsächlich steuerpflichtig sind. Bei der Einkommensgrenze fürs Kindergeld der Eltern werden aber auch Ihre Bezüge als Praktikant eingerechnet. Das sind Gelder, die zwar nicht steuerpflichtig sind, mit denen Sie aber Ihren Unterhalt oder Ihre Berufsausbildung finanzieren. Die wichtigsten Posten sind der Bafög-Zuschuss (aber nicht der Darlehensanteil), Stipendien, Waisen- und Halbwaisenrenten, Wohngeld, Arbeitslosengeld und vor allem die Einnahmen aus einem 400- Euro-Job. Selbst wenn Sie nur steuerfreie Einnahmen haben, können Sie also die Grenze von 7.680 Euro überschreiten: ein 400-Euro-Job plus Bafög und Stipendium oder Halbwaisenrente - und schon ist es passiert!
Achtung: Überschreiten Sie die Grenze von 7.680 Euro auch nur um einen Euro, fällt für Ihre Eltern das gesamte Kindergeld weg ("Fallbeilprinzip") - und das sind mindestens 1.848 Euro im Jahr!
Wenn Sie nicht ganzjährig die Voraussetzung für Kindergeld erfüllen, gibt es nur monatsweise Kindergeld. Beispiel: Das Studium wird im September abgeschlossen, dann erfolgt der Berufseinstieg. Kindergeld gibt es dann nur für neun Monate, auch die Einkommensgrenze wird bis dahin berechnet.
Stehen noch andere staatliche Förderungen an die Eltern zur Diskussion?
Kinkel: Viele staatliche Leistungen knüpfen ans Kindergeld an. Überschreiten Sie die Einkommensgrenze und verlieren Ihre Eltern das Kindergeld, gehen auch diese Förderungen verloren - beispielsweise die Kinderzulage zur Riester-Rente mit derzeit 138 Euro pro Jahr. Behalten Sie Ihre Einkünfte und Bezüge immer im Auge: Schon eine kleine Gehaltserhöhung kann Ihre Eltern viele staatliche Vergünstigungen kosten.
Achtung: Für auswärts untergebrachte Kinder in Ausbildung gibt es zusätzlich den Ausbildungsfreibetrag von 924 Euro, wenn die Eltern Anspruch auf Kindergeld haben. Der Ausbildungsfreibetrag fällt allerdings schon bei Einkünften des Kindes von knapp 3.000 Euro oder Ausbildungsbeihilfen wie Bafög von 924 Euro weg. Maximaler Schaden für Ihre Eltern: circa 400 Euro.
Wie viel darf der Praktikant zum Bafög hinzuverdienen?
Kinkel: Die Grenze für den Hinzuverdienst liegt bei 4.206 Euro brutto pro Bewilligungszeitraum (1.10. bis 30.9., also nicht das Kalenderjahr!). Wenn Sie die Einkommensgrenze überschreiten, wird Ihr Einkommen auf das Bafög angerechnet und die Förderung gekürzt.
Sind Werkstudenten eigentlich sozialversicherungspflichtig?
Kinkel: Nach der so genannten "Werkstudentenregelung" sind für Jobs von Studenten keine Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherungs-Beiträge zu zahlen, wenn das Studium gegenüber der Arbeit im Vordergrund steht. Das ist immer der Fall, wenn Sie höchstens 20 Stunden pro Woche arbeiten - egal wie viel Sie dabei verdienen.
Achtung: Sind Sie als Student über Ihre Eltern gesetzlich krankenversichert, dürfen Sie höchstens 345 Euro (als Minijobber 400 Euro) pro Monat verdienen. Liegen Sie darüber, müssen Sie sich selbst versichern. Dabei können Sie aber günstige Studententarife nutzen - auch hier fallen dann aus dem Job keine zusätzlichen Beiträge an.
Für die Rentenversicherung sind ab einem regelmäßigen Einkommen von über
400 Euro Beiträge fällig. Der Beitragssatz steigt mit dem Einkommen an, der volle Satz von 9,75 Prozent ist bei 800 Euro im Monat erreicht.
In den Semesterferien können Sie auch länger als 20 Stunden arbeiten (bis zu
26 Wochen im Jahr) und zahlen hierfür keine Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung. Für die Rentenversicherung ist in den Semesterferien eine Beschäftigung über 20 Wochenstunden beitragsfrei - vorausgesetzt, der Job ist auf höchstens zwei Monate oder 50 Arbeitstage im Kalenderjahr
begrenzt.
Wann müssen Praktikanten Beiträge zur Sozialversicherung entrichten?
Kinkel: Bei Praktikanten kommt es für die Sozialversicherungspflicht vor allem darauf an, ob das Praktikum vorgeschrieben ist und wann es abgeleistet wird. Ganz einfach ist es bei vorgeschriebenen Praktika während des Studiums: Sie sind sozialversicherungsfrei.
Für freiwillige Praktika gilt die "Werkstudentenregelung" wie für alle Studentenjobs. Für Praktika vor oder nach dem Studium ist zunächst bedeutend, dass der Praktikant nicht immatrikuliert ist. Bei bezahlten Pflichtpraktika wird er sozialversicherungsrechtlich wie ein Azubi behandelt.
Bei unbezahlten Pflichtpraktika gibt es eine Sonderregelung zur Kranken- und Pflegeversicherung. Zur Arbeitslosen- und Rentenversicherung zahlt der Arbeitgeber einen Pauschalbeitrag.
Achtung: Bei unbezahlten Pflichtpraktika müssen Sie Ihre Krankenund Pflegeversicherung selbst zahlen. Bei freiwilligen Praktika vor oder nach dem Studium zahlen Sie und der Arbeitgeber jeweils zur Hälfte. Eine Ausgestaltung als 400-Euro-Job ist jedoch möglich - damit sind Sie wieder sozialversicherungsfrei.
Grundsätzlich sozialversicherungsfrei sind die so genannten "Minijobs" ("400-Euro-Jobs"). Hier zahlt nur der Arbeitgeber einen pauschalen Beitrag
an die Versicherungen.
Welche Leistungen aus den Sozialversicherungen können Praktikanten in Anspruch nehmen?
Kinkel: Eine Kranken- und Pflegeabsicherung haben Sie im Studium eigentlich immer: als gesetzlich mitversichertes Kind, als gesetzlich pflichtversicherter oder freiwillig versicherter Student oder als Privatversicherter. Damit stehen Ihnen auch die entsprechenden Versicherungsleistungen offen, zum Beispiel die Behandlung beim Arzt. Meist fallen für Einkünfte aus Praktika und Jobs keine
zusätzlichen Beiträge an.
Ausnahme: Als gesetzlich mitversichertes Kind müssen Sie die Einkommensgrenze von 345 Euro monatlich (bei Minijobbern 400 Euro) beachten. Liegen Sie darüber, fällt die kostenfreie Mitversicherung weg - Sie wechseln dann in die beitragspflichtige studentische Krankenversicherung. Sind Sie beschäftigt und beitragsfrei in Bezug auf Renten- und Arbeitslosenversicherung, haben Sie normalerweise auch keinen Anspruch auf Leistungen. Ausnahme: Als Minijobber erwerben Sie geringe eigene Rentenansprüche. Zweite Ausnahme: die gesetzliche Unfallversicherung. Hierfür zahlt nur der Arbeitgeber Beiträge, und Sie sind gegen Arbeitsunfälle und Unfälle auf dem Weg von und zur Arbeit abgesichert.
Achtung: Wegeunfälle sind nur versichert, wenn Sie keine privat veranlassten
Umwege nehmen. Sind Sie sozialversicherungspflichtig beschäftigt, haben Sie auch Ansprüche auf die Leistungen der Arbeitslosen- und Rentenversicherung. Allerdings sind hierfür in vielen Fällen so genannte "Wartezeiten" zu erfüllen: erst nach einer bestimmten Versicherungszeit gibt es auch Leistungen.
redaktionmatchbox-media.de oder stellt Eure Frage in unserem Experten-Forum.
www.bafoeg-rechner.de
Umfassende Informationen zum Bafög
www.studentenwerk-oldenburg.de
Erläuterung der wichtigsten sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften für Nebenjobs, Praktika usw.
www.minijobzentrale.de
Alles über 400-Euro-Jobs