Nach dem vernetzten Büro entdeckt die IT-Branche die Haushalte als Markt. Dort schlummern milliardenschwere Potenziale. Aber es fehlen die Spezialisten, die sie heben könnten.
Chancen
Frieren ist ein Relikt der Vergangenheit. Zumindest dann, wenn man das warmx-undershirt-set trägt. Im ärmellosen Unterhemd hat Textilhersteller Warmx aus Apolda zwei Wärmezonen im Bereich der Nieren eingearbeitet, ein mikroprozessorgesteuerter Powercontroller auf der Vorderseite regelt automatisch die Temperatur. Voll waschbar, ist das smart Textile für 248 Euro aufwärts ab Größe 36 für Damen und ab Größe 44 für Herren zu haben. Jahrelang gab es die Produkte nur als Prototypen, jetzt sind sie im Handel. Neben Warmx bietet der Rundfunksender Bayern Digital Radio aus München unter dem Namen Badira für 398 Euro eine Multimediajacke samt integriertem TV-Empfänger an. Die Berliner Sunload GmbH versorgt Käufer mit Solarhandtaschen ab 479 Euro, die flexible Solarmodule enthalten und beispielsweise ein Handy oder ein Notebook laden können.
Nach dem vernetzten Büro kommt jetzt der vernetzte Privatier. Und Deutschland mischt ganz vorn mit. Mit rund 800.000 Angestellten erwirtschaftet die Bits & Bytes-Branche zusammen mit der Telekommunikationswirtschaft einen Umsatz von 146 Milliarden Euro, rund ein Drittel davon im Ausland. So kam die Branche im ersten Halbjahr 2007 allein mit dem Export von Software, IT-Beratung, Wartung, Telefondiensten und Datenübertragung auf fast sechs Milliarden Euro - eine Verdoppelung gegenüber dem Jahr 2000.
"Deutschland gehört weltweit zu den stärksten Exporteuren von Software und ITK-Diensten", schwärmt August-Wilhelm Scheer, Präsident des Branchenverbandes Bitkom. Und die Zukunft sieht gut aus. 5.600 Patentanmeldungen bringen die deutschen Unternehmen in Europa an die Spitze, weltweit sind nur noch die USA und Japan besser. Gleichzeitig hat die Branche erkannt, dass nicht allein mit der Lieferung von Hard- und Software Geld zu verdienen ist, sondern dass der Service mindestens genauso wichtig ist. Der Beweis: Die Hälfte des Umsatzes kommt schon jetzt aus Support-Dienstleistungen.
Dass sich mit dem Mix aus Produkten und Service auch weiterhin gutes Geld verdienen lässt, zeigt eine Studie, die Bitkom zusammen mit der Unternehmensberatung Roland Berger erstellt hat. Die prognostiziert ein Volumen des deutschen ITK-Marktes für 2010 von mehr als 160 Milliarden Euro und unterstellt dabei, dass der Markt jährlich um rund 4,2 Prozent wächst. Noch interessanter ist, wo die Zuwächse herkommen. Denn in der Studie eruierten Bitkom und Roland Berger unter rund 300 Technologietrends sechs Wachstumsfelder, die schon allein 2010 ein Umsatzvolumen von 360 Milliarden Euro versprechen.
Das größte Potenzial liegt in den so genannten eingebetteten Systemen, dem Markt, den beispielsweise Warmx derzeit schon mit Textilien versucht zu erschließen. Ein ähnlich großes Volumen verspricht es, Unternehmen Speicherkapazität und Rechnerleistung anzubieten. Die ausgelagerte IT spart den Unternehmen Geld und soll für einen Umsatz von 100 Milliarden Euro gut sein. In die gleiche Richtung geht das Thema der service-orientierten Architekturen: Kunden können plattformunabhängig auf unterschiedliche Anwendungen zugreifen, ohne sie im eigenen Haus vorhalten zu müssen. Und schließlich macht die Branche mit dem guten alten Fernsehen Umsatz: Die digitale Zunft schickt Bilder über das Internet und lässt die ganz persönliche Programmauswahl zu - die IT-Branche macht also jeden Anwender zum Fernsehintendanten.
Risiken
Rosige Zeiten für die gesamte IT-Branche - alle Prognosen, Einschätzungen und Studien kennen nur Kurven, die nach oben zeigen und kontinuierliches Wachstum versprechen. Das eigentliche Problem der Branche liegt im Arbeitsmarkt - es fehlen schon heute Fachleute an allen Ecken und Enden. Allein im Jahr 2007 gab es nach Angaben des Beratungsunternehmens Assure Consulting 40.000 offene Stellen in der Branche, die dringend besetzt werden müssen. Derzeit suchen die Unternehmen Hände ringend IT-Spezialisten, Informatiker und Ingenieure, aber auch Betriebswirte, die diese Lücken schließen sollen. (jul) Foto: pepsprog/Pixelio