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Profiteure der Krise

Foto: pixelio.de/H. Wanetschka

Vom Börsencrash 1929 bis zum Platzen der New Economy-Blase - in der Geschichte der Wirtschaftsprüferbranche hat sich stets gezeigt: Nach Schimpf und Schande bescheren Krisen den Wirtschaftsprüfern am Ende stets vor allem eins: Neugeschäft. Vieles weist daraufhin, dass es auch diesmal so sein wird.

>>>Chancen

Die Finanzkrise ist für die Wirtschaftsprüferbranche Fluch und Segen zugleich. Wenn es in den Unternehmen schlecht läuft, nehmen gezielte Bilanzmanipulationen zu und die Gefahr steigt, dass Abschlussprüfer nicht angemessen auf erhöhte Risiken reagieren. Die Geschichte des noch jungen Wirtschaftszweigs hat jedoch gezeigt: Jede Krise hat bislang den Wirtschaftsprüfern am Ende stets vor allem eins beschert: Neugeschäft. Und vieles weist daraufhin, dass es auch diesmal so sein wird.

     Der Grund: Die Wachstumsstory der führenden WP-Gesellschaften wird seit Jahrzehnten von einer Endlosschraube getrieben: Je mehr Verstöße es weltweit gegen Bilanzierungsregeln gibt, desto mehr Regularien werden aufgestellt, deren Einhaltung nur durch fachkundige Wirtschaftsprüfer kontrolliert werden kann. Dieses Perpetuum Mobile begann mit der Depression Ende der Zwanzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts. Damals wurde die Prüfung des Jahresabschlusses von Aktiengesellschaften erstmals zur Pflicht und damit der Berufsstand des Wirtschaftsprüfers aus der Taufe gehoben. Über die Jahrzehnte bildete sich im WP-Markt ein machtvolles Oliogopol heraus: Die "Big Five", von denen nach der Zerschlagung des US-Prüfers Arthur Andersen 2002 mit PricewaterhouseCoopers (PwC), KPMG, Ernst & Young und Deloitte & Touche nur noch "Big Four" übrigblieben.

     Die jetzige Wirtschaftskrise scheint besonders in Deutschland diesen Konzentrationsprozess weiter zuzuspitzen. Zumindest laufen Ernst & Young und Deloitte - mit einer Milliarde Euro beziehungsweise 600 Millionen Euro Umsatz die Nummer drei und Nummer vier im Markt zurzeit lauthals Sturm gegen die Vorzugsstellung, die der Branchenprimus PwC (Umsatz: 1,3 Milliarden Euro) und der Branchenzweite KPMG (Umsatz: 1,2 Milliarden Euro) im öffentlichen Sektor genießen. 

     Fakt ist: Seit 60 Jahren nimmt PwC die Anträge auf Hermes-Staatsbürgerschaften unter die Lupe, mit denen Unternehmen ihre Auslandsaufträge absichern können. Und Fakt ist auch: Im Auftrag der Bundesregierung begutachten die beiden Marktführer im Moment einen Großteil der Unternehmen, die staatliche Hilfen aus dem 480 Milliarden Euro schweren Bankenrettungsfonds oder aus dem mit 115 Milliarden Euro dotierten Wirtschaftsfonds Deutschland ergattern möchten. Geschätztes Auftragsvolumen: mehr als über 100 Millionen Euro. Nummer drei - Ernst & Young - und Nummer vier - Deloitte - sehen sich daher im Club der Big Four in die Rolle der Mitglieder zweiter Klasse gedrängt. Zumal die Spitzenreiter PwC und KPMG auch schon das prestigeträchtige Geschäft mit den Dax-Konzernen weitgehend unter sich aufteilen.

Bild: Gerd Altmann/Pixelio

    Mit Wirtschaftsprüfung allerdings machen die großen WP-Gesellschaften im Durchschnitt nur ein Drittel ihres Geschäftes. Der Rest entfällt auf den Bereich "Tax", also Steuerberatung sowie auf das Beratungsgeschäft, zu dem auch die Begleitung von Mergern und Akquisitionen gehört sowie Sanierungsberatung. Hier ist das Bild derzeit sehr gemischt: Während das M&A-Geschäft notleidend ist, weil es kaum große Übernahmen gibt und keine Börsengänge, haben die Sanierungsspezialisten gut zu tun und gehören zu den absoluten Profiteuren der Krise.

     Unabhängig von den aktuellen Querelen herrscht in der Landschaft der Wirtschaftsprüfer ohnehin eine klare Zweiklassengesellschaft. Das Marktforschungsinstitut Lünendonk ermittelte jüngst, dass PwC, KPMG, Ernst & Young und Deloitte zusammen gut 80 Prozent des Gesamtumsatzes der führenden 25 Wirtschaftsprüfer unter sich aufteilen. Das Marktvolumen in Deutschland schätzen die Experten insgesamt auf mehr als zehn Milliarden Euro. Unterhalb der "Big Four" folgen mit einigem Abstand mittelständische Kanzleien, die aber auch schon eine stattliche Anzahl von Berufsträgern haben. Die größte unter ihnen ist BDO Deutsche Warentreuhand mit rund 340 Wirtschaftsprüfern und einem Inlandsumsatz von knapp 190 Millionen Euro (Stand Ende 2008), gefolgt von Rödl & Partner (rund 70 WPs), Ecovis (25), der neue Zusammenschluss Ebner Stolz Mönning Bachem, die zusammen etwa 100 Prüfer beschäftigen, sowie Rölfs & Partner und Susat & Partner (jeweils 60 bis 70 WPs).

     Insgesamt beschäftigt die Branche rund 13.500 Wirtschaftsprüfer, wobei rund 4.000 von ihnen allein bei den zehn größten WP-Gesellschaften angestellt sind. Das heißt im Klartext: Viele kleinere der bundesweit rund 2.500 WP-Gesellschaften agieren oft sogar nur als One-Man-Show und verdienen ihr Geld als Unternehmens- und Steuerberater oder Treuhänder.

     Die starke Konzentration hat mit der zunehmenden Regulierungsdichte zu tun. Die Umstellung auf internationale Bilanzierungsnormen, die verschärften Compliance*-Anforderungen durch den Sarbanes Oxley Act**, die Bilanzrechtsmodernisierungsgesetze und nicht zuletzt die Globalisierung haben die Komplexität der Materie enorm erhöht. "Die Bilanzierung ist schwieriger und spezifischer geworden. Das können nur die großen Gesellschaften schultern", urteilt Karlheinz Küting, Professor am Saarbrücker Institut für Wirtschaftsprüfung.

     Um im Regulierungswirrwarr überhaupt noch den Durchblick zu behalten, müssen die 13.500 Wirtschaftsprüfer in Deutschland viel Zeit und Geld in Weiterbildung investieren. Dafür ist ihr Job krisensicher und bereits im Einstieg mit durchschnittlich 43.700 Euro Jahresgehalt gut bezahlt. Die Krise verschafft den Wirtschaftsprüfern wieder neue, wichtige Handlungsfelder. "Alle Analysen zeigen, dass in den unterschiedlichsten Bereichen Bedarf für Verbesserungen besteht, um das Finanzsystem widerstandsfähiger gegen künftige Krisen zu machen", urteilt das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) in Düsseldorf. So sind die Prüfer gefragt, den Unternehmen zu Risikofrühwarnsystemen zu verhelfen, die funktionieren. Die Finanzaufsicht benötigt effektivere und möglichst grenzüberschreitende Regelungen, um ihre Kontrollfunktion zu stärken. In wirtschaftlich schlechten Zeiten steigt zudem der Bedarf an forensischer Wirtschaftsprüfung: Ursachen und Schadenhöhe von Bilanzfälschungen müssen ermittelt werden. Das alles wird die Branche in Atem halten und ihr auch zukünftig hohe Umsätze bescheren.

Bild: Gabi Schoenemann/Pixelio

>>>Risiken

     Mit der steigenden Zahl an Insolvenzen werden in den kommenden Monaten auch die Vorwürfe gegen Wirtschaftsprüfer lauter werden: Welche Mitschuld tragt Ihr eigentlich an der Finanzkrise? Schließlich gehen sie bei der Prüfung eines Jahresabschlusses zunächst der Frage nach, ob das zu prüfende Unternehmen die kommenden zwölf Monate überleben wird oder nicht. Wenn der Prüfer der Ansicht ist, ein Unternehmen überstehe das Jahr nicht, muss entsprechende Vorsorge getroffen werden. Die Prüfer haben zudem festzustellen, ob das Risikofrühwarnsystem eines Unternehmens in der Lage ist, Risiken rechtzeitig zu erkennen. In den USA gibt es bereits Konkursverwalter, die nach dem Zusammenbruch von Unternehmen den Abschlussprüfer zur Verantwortung ziehen wollen.

     Auch was das Personalrecruiting angeht, hat sich die WP-Branche auf die Krise eingestellt: Die "Big Four" planen derzeit weitaus weniger neue Kräfte einzustellen, als in den Vorjahren. PwC etwa hat die Zahl um 50 Prozent auf nur noch 500 für das laufende Geschäftsjahr (Beginn: 1. Juli 2009) reduziert, KMPG belässt es derzeit bei 700 Stellen für das laufende Geschäftsjahr 2008/2009 (endet am 30. September 2009). Deloitte hat zwar knapp 1.000 Neulinge 2008/2009 eingestellt, macht aber weitere Neueinstellungen für das neue Geschäftsjahr ab 1. Juli 2009 von der Marktentwicklung abhängig. (jul)

* Compliance

 (zu deutsch Einhaltung)

Unternehmen müssen nachweisen, dass sie alle notwendigen Maßnahmen getroffen haben, um sicherzustellen, dass die Organisation und deren Mitarbeiter die nationalen und internationalen Gesetze und Richtlinien gegen kriminelle Handlungen - zum Beispiel Betrug, Marktmissbrauch, Insiderhandel, Geldwäsche oder Datenschutz einhalten.

** Sarbanes-Oxley-Act

Wenn Unternehmen Zahlen und Berichte ihrer Geschäftstätigkeit vorlegen, sollten Anleger darauf vertrauen können, dass diese Angaben auch der Wahrheit entsprechen. Genau das wollten die Amerikaner mit dem Sabarnes-Oxley-Act erreichen, der benannt ist nach den US-Senatoren und Machern Paul S. Sarbanes und Michael Oxley. Das Gesetz gilt für alle amerikanischen und ausländischen Unternehmen, deren Papiere an US-Börsen gehandelt werden. Gültig seit 30. Juli 2002, schreibt es den Unternehmen unter anderem vor, in den Jahresberichten auch die Wirksamkeit der internen Kontrollsysteme für die Rechnungslegung zu beurteilen - zum einen durch die Geschäftsleitung, zum anderen durch einen Wirtschaftsprüfer.

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