Um ihre Marktanteile zu sichern, bewegen sich die forschenden Pharma-Hersteller auf Neuland: Sie kaufen Wettbewerber und Biotech-Firmen und nehmen den Generika-Markt ins Visier. Auch in der Forschung gehen sie neue Wege. Dafür brauchen sie gute Leute, die ihnen zu neuen Patenten verhelfen.
>>>Chancen
Krank sind die Menschen immer. Zum Glück für die Gesundheitsbranche, die sich von Krisen außergewöhnlich unbeeindruckt zeigt. So gehört die Pharmaindustrie zu den Branchen mit den besten Zukunftsaussichten, stellte das Institut der deutschen Wirtschaft bei einer Analyse von 34 Branchen fest. Dennoch steckt die Branche in der Bredouille. Um am Markt präsent zu bleiben, muss sie neue Medikamente entwickeln. Das Problem: Am Anfang einer Forschungsreihe stehen im Schnitt 10.000 Wirkstoffe, davon schafft es aber nur einer zum fertigen Medikament. 20 Jahre läuft zwar das Patent, ehe sich die Konkurrenz daran machen darf, die neuen Medikamente als so genannte Generika zu kopieren und im Schnitt um 40 Prozent preiswerter anzubieten.
Von den 20 Jahren aber muss man die Zeit abziehen, die nötig ist, um die für eine Marktzulassung vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Tests und Prüfungen durchzuführen. Im Schnitt dauert das zwischen zwölf und 15 Jahren. "Damit bleiben nur fünf bis acht Jahre Patentlaufzeit, um die immensen Entwicklungskosten wieder zu kompensieren", klagt zum Beispiel der amerikanische Pharmagigant Pfizer.
Ein teurer Wettlauf: Rund 600 Millionen Euro Entwicklungskosten kalkuliert die Branche pro Medikament. Andere Experten, wie die Harvard-Professorin Marcia Angell kommen in ihren Berechnungen auf "nur" 80 Millionen Euro tatsächliche Entwicklungs- und Forschungskosten, mehr als das Doppelte fließt in das Marketingbudget und in den Verwaltungsapparat. Trotzdem rechnen sich die hohen Entwicklungskosten für die forschenden Pharmaproduzenten immer seltener, weshalb sich gleich 20 der 30 größten Pharmakonzerne weltweit einen Sparkurs verordnet haben.
Das heißt aber nicht, dass hier Einstellungsstopps angesagt wären. Im Gegenteil: Die Branche wirbt fleißig um qualifizierte Fachkräfte und Akademiker, insbesondere für den Forschungs- und Entwicklungsbereich, weil die Konzerne ihre Marktanteile nur durch neue Medikamente und Patente halten können. So zählen Naturwissenschaftler, Pharmazeuten und Chemieingenieure nach wie vor zu den gesuchten Kräften, aber auch Laborleiter, Qualitätsentwickler, Entwicklungsingenieure und Mediziner als Fachreferenten für klinische Forschung.
Um sich gegen den weiteren Verfall ihrer Renditen abzusichern, gehen die forschenden Pharma-Hersteller in letzter Zeit in einiger Hinsicht neue Wege. Erstens kaufen sie sich bei Biotech-Unternehmen ein, denn vier der zehn umsatzstärksten Medikamente weltweit sind inzwischen Biotechprodukte. Sie gehören zu den Hoffnungsträgern, sagt eine Studie der Boston Consulting Group, und sind schon heute bei der Behandlung schwerer Erkrankungen wie Krebs oder Arthritis nicht wegzudenken. Mehr als jeder vierte Mitarbeiter in der Pharma- und Biotechbranche widmet sich schon der Biotechnologie.
Roche ging diesen Weg voran, indem es sich schon 1990 an dem Biotech-Riesen Genentech beteiligte. Seither sind weitere große Biotechs wie Imclone, Serono, Medimmune, Millennium oder Chiron, aber auch kleinere, in die Hände der Pharma-Industrie übergegangen. Zweitens verstärken sich die forschenden Pharma-Hersteller im Generika-Markt. Bisher spielten patentfreie Medikamente für sie strategisch eine untergeordnete Rolle. Nur die Schweizer Novartis ist mit ihrer Tochter Sandoz hier schon lange aktiv. Nun aber hat Weltmarktführer Pfizer angekündigt, durch Lizenzen und Übernahmen einsteigen zu wollen.
Und drittens wird versucht, die Forschung durch Virtualisierung schneller und preiswerter zu machen: Am Rechner wird simuliert, welche neuen Wirkstoff-Komponenten welche Wirkungen haben. Das senkt die Kosten pro Medikament signifikant, sagt die Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers in ihrer Studie "Pharma 2000: Virtual R&D - Which Path Will You Take?" Unterm Strich, so die Experten, könnten sich die Zeiten für die klinischen Studien um 40 Prozent reduzieren und die Forscher kämen mit einem Drittel der Testpatienten aus.