Alle Welt sagt, dass man vor, während oder nach dem Studium Praktika machen soll. Wer keines in seiner Vita vorzuweisen hat, bekommt bei der Jobsuche mittlerweile echte Probleme. Doch was nützen einem die Kurzeinsätze in Unternehmen überhaupt? Können sie wirklich ein Karriereimpuls sein oder sind sie "nur" nötige Kosmetik für den Lebenslauf? Wir haben erfolgreiche Berufstätige nach ihren Erfahrungen gefragt: Was haben Ihnen Ihre Praktika im Rückblick gebracht?
"Sie bringen interkulturelle Kompetenz durch verschiedene Auslandsaufenthalte und Praktika mit...", "...erste Berufserfahrung durch Praxissemester oder relevante Praktika..." - So oder so ähnlich lesen sich mittlerweile die Anforderungsprofile in fast jeder Stellenanzeige für Berufseinsteiger. Die Unternehmen lassen keinen Zweifel daran, dass bei ihnen Praxiserfahrung hoch im Kurs steht.
Auch unsere aktuelle Jobguide-Umfrage unter 34 Unternehmen bestätigt, dass solche Stippvisiten höchstnützlich sein können: Bei 82 Prozent der befragten Firmen haben ehemalige Praktikanten die deutlich besseren Karten bei der Auswahl von Kandidaten für feste Stellen (weitere Praktikumstrends auf Seite 16). Scheint also, als seien Praktika das Tor zum Berufseinsteiger-Himmel.
Anderer Meinung war allerdings das Bayerische Staatsinstitut für Hochschulforschung und Hochschulplanung (IHF). Auf Basis einer eigenen Studie ließ es im vergangenen Jahr medienwirksam verlauten, dass Praktika den Berufseinstieg nur begrenzt puschten. So mancher Student raufte sich daraufhin verzweifelt die Haarpracht: Ja, was denn nun? Kann man also seine Semesterferien wieder guten Gewissens am Strand verbummeln?
Genau genommen kamen die bayerischen Forscher allerdings zu dem Ergebnis, dass für den reibungslosen Jobeinstieg das gewählte Studienfach und die Abschlussnote von größerer Bedeutung sind als Praktika. Das allerdings überrascht nun nicht wirklich. Ein Ingenieur hat es bei der Stellensuche schon immer leichter gehabt als ein Soziologe. Und mit einer guten Note im Gepäck übersteht man computerbasierte Matchingverfahren besser als mit schlechten.
Viele Praktikumsstellen und Nebenjobs im Lebenslauf verbesserten jedenfalls nicht per se die Bewerbungschancen, sagen die IHF-Forscher. Deutlich differenzierter ist hingegen die Aussage der Unternehmen, die Jobguide befragte: Nicht honoriert wird von ihnen, wenn man sich bei seinen Praktika eine bunte, variantenreiche Themenmischung zulegt und mal dieses, mal jenes ausprobiert. "Vielfalt" ist für drei Viertel der Befragten kaum bis gar nicht wichtig. Dafür wünschen sich 82 Prozent recht dringend aussagekräftige Projekte und zwei Drittel schauen auf die Dauer und eine nennenswerte Anzahl an Praktika. Also doch.
Viele Personaler, die wir als Jobguide-Redaktion auf Messen und anderen Veranstaltungen treffen, berichten uns allerdings immer wieder etwas ratlos von Bewerbern, die - stolz wie Oskar - ein halbes Dutzend Praktika in den verschiedensten Bereichen absolviert haben und dann aus allen Wolken fallen, wenn Arbeitgeber das einfach nur beliebig finden und nicht als Zeichen für Aufgeschlossenheit sehen. Aber wie soll man als Student da noch durchsteigen? Wonach, bitte schön, soll man seine Praktika denn auswählen? Wie viel Experimentieren ist noch okay und wo fängt die Beliebigkeit an?
Da es eine Patentlösung nicht zu geben scheint, haben wir sieben Führungskräfte und Unternehmensgründer um ihre Erfahrungen gebeten: Wie sind sie das damals im Studium mit ihren Praktika angegangen? Wonach haben sie ausgewählt? Was würden sie heutigen Studenten raten? Und schließlich: Was haben ihre Praktika ihnen unterm Strich gebracht? Die Eingangsfrage "Praktika fürs Leben - oder den Lebenslauf?" beantworten unsere Interviewpartner übrigens schon mal ganz einhellig: Für beides!
Text: Ulrike Heitze