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Jobwunder für Nachwuchsjuristen

Foto: Fotolia/Sandor Jackal

Die Kanzleien atmen wieder auf und stellen kräftig ein - nicht nur Nachwuchskräfte, sondern auch erfahrene Professionals. Derzeit, sagen Personalberater, sei aber auch die Industrie sehr aktiv auf der Suche nach Hausjuristen, denn Inhouse-Beratung sei kostengünstiger als die Dienstleistung externer Kanzleien.


>>>Chancen

Die Wirtschaftskanzleien in Deutschland stehen vor besseren Zeiten: Weil der Export wieder brummt, braucht die deutsche Industrie wieder sehr viel Rechtsrat bei der Abfassung internationaler Verträge. Aber auch das Beratungsgeschäft rund um Börsengänge, Übernahmen und Fusionen scheint endlich wieder im Aufwind zu sein.

Und überdies sind es die Anwälte, die das vorerst letzte Kapitel der Finanzkrise aufschlagen - mit deren juristischer Aufarbeitung: Wer trug die Verantwortung für den Beinahe-Zusammenbruch der Finanzmärkte? Welcher Vorstand, Aufsichtsrat oder Wirtschaftsprüfer hat seine Pflichten verletzt und schuldet dafür seinem Ex-Arbeitgeber, Ex-Mandanten oder den Anlegern persönlich Schadenersatz? Knifflige Rechtsfragen, die derzeit nicht nur in der Presse gestellt werden, sondern auch vor Gericht und viel häufiger noch in zähen Vergleichsverhandlungen hinter den Kulissen geklärt werden müssen.

Doch die Krise hat den Juristen nicht nur Neugeschäft durch die härtere Gangart beschert, mit der sich die Spieler im Wirtschaftsgeschehen juristisch behakeln. Eine Stütze des Rechtsberatungs-Marktes ist zurzeit auch der hohe Beratungsbedarf, der bei Banken und Unternehmen durch die verschärfte Regulierung der Finanzmärkte und die Schwierigkeit entstanden ist, langfristige Kredite für neues Wachstum einzusammeln. Mandate entstehen vor allem für spezialisierte Juristen rund um die Themen Refinanzierung und Rekapitalisierung.

"Galten in den vergangenen zwei Krisenjahren vor allem Juristen als die Gewinner, die sich auf Arbeitsrecht, Sanierungsberatung und Insolvenzrecht spezialisiert haben, sind jetzt auch wieder andere Experten gefragt", berichtet Daniel Schollmeyer, Geschäftsführer der Personalberatungsgesellschaft Schollmeyer & Steidl, die sich auf die Vermittlung von Juristen spezialisiert hat: "Das gilt besonders für Gesellschafts- und Vertragsrechtler, Experten für Bank- und Kapitalmarktrecht, aber auch für IT-Recht, Geistiges Eigentum (Intellectual Property), Bau- und Vergaberecht sowie für Umweltthemen."

Nach zwei Jahren des Personalabbaus und sehr zurückhaltenden Recruitings, zeichnet sich 2011 ein kleines Jobwunder für Nachwuchs­juristen ab. Eine Umfrage, die das auf Juristennachwuchs spezialisierte Magazins Azur unter 170 deutschen Wirtschaftskanzleien durchführte, ergab, dass 2011 voraussichtlich bis zu 1.850 Berufseinsteiger neu eingestellt werden - und damit 26 Prozent mehr als noch 2010. 40 von Azur befragte Unternehmen und Behörden meldeten zudem 270 freie Stellen für Junganwälte und damit immerhin elf Prozent mehr als noch im Vorjahr.

"Für Juristen ist die Perspektive aktuell besonders positiv", schrieb auch die WirtschaftsWoche im Frühjahr 2011 auf Basis einer eigenen Umfrage. Vor allem die großen Anwaltskanzleien hätten angekün­digt, neue Mitarbeiter an Bord nehmen zu wollen. Fresh­fields Bruckhaus Deininger plane etwa 120 Neueinstellungen, CMS Hasche Sigle 80, Hogan Lovells und Clifford Chance jeweils bis zu 70. Gleiss Lutz gehe von bis zu 65 neuen Stellen für Direkteinsteiger aus, Linklaters von bis zu 60 und Hengeler ­Mueller suche bis zu 50 junge Juristen.

Dabei ergeben sich sogar auch wieder Chancen für Juristen ohne Prädikatsexamen in den großen Kanzleien. "Der Einstieg kann für solche Kandidaten etwa als 'Staff Attorney' gelingen", sagt Olaf Hopp von der Personalvermittlungsagentur Hopp-PSC, "wenn auch zu deutlich geringeren Jahresgehältern als bei Spitzenkandidaten und ohne die Perspektive, einmal Partner werden zu können." Staff Attorneys leisten Zuarbeit bei Projekten oder organisieren Transaktionsabläufe. Zudem gibt es die Möglichkeit sich als "Professional Support Lawyer" oder "Know-how-Lawyer" um die Vertrags­datenbanken und Wissensmanagementsysteme zu kümmern.

"Bei Kanzleien, aber ganz besonders bei Unternehmen werden derzeit relativ viele Juristen eingestellt", bestätigt auch Personalberater Schollmeyer. Der Grund: "In der Wirtschaft steigt die Kostensensibilität. Man hat die juristische Expertise lieber wieder selbst im Haus, als Projekte an externe Anwälte zu geben. Das ist günstiger." Gefragt sind hier vor allem Generalisten, die bereits über einige Jahre Berufserfahrung verfügen.

Dass es allmählich wieder aufwärts geht, zeichnete sich bereits 2010 ab. Zum Beispiel bei der Beratung zu Fusionen und Unternehmenskäufen. Nach der allgemeinen Fusionsflaute im Krisenjahr 2009 stieg das Transaktionsgeschäft 2010 wieder um knapp 25 Prozent an. Auch 2011 soll das so weitergehen. "Wir sind hoffnungsfroh, dass wir gut ausgelastet sein werden", sagt Thomas Schulz, Rechtsanwalt der Kanzlei Noerr. "Inzwischen sind wieder Spieler da, die Geld haben".

Die Rechtsberatungsbranche rechnet besonders in der Energiewirtschaft mit zahlreichen Transaktionen, weil dort die Trennung von Netzen und Erzeugern voranschreiten soll. Größere Deals erhoffen sich die Anwälte auch von Finanz­investoren und durch Übernahmen im öffentlichen Sektor. Mandate auslösen werden voraussichtlich auch die vielen neuen gesetzlichen Vorgaben - etwa in Sachen Corporate Governance, wo es um Regeln für eine verantwortungsvolle und zielgerichtete Führung und Überwachung von Unternehmen geht. Ähnlich ist es mit dem Thema "Compliance", bei dem Unternehmen sicherstellen, dass sie nicht mit Gesetzen in Konflikt kommen.

Angesichts der insgesamt positiven Aussichten atmet die Branche wieder auf. Denn in den Bilanzen der großen Wirtschaftskanzleien hatte sich die Wirtschaftskrise zwei Jahre lang deutlich bemerkbar gemacht, wovon selbst namhafte Lawfirms wie Freshfields Bruckhaus Deringer, Hengeler Mueller, Clifford Chance und Linklaters nicht verschont blieben. Von den Top-5-Kanzleien schaffte es allein CMS Hasche Sigle, in den letzten beiden Jahren noch um jeweils vier, fünf Prozent zu wachsen.

Die wichtigste Lektion aus der Krise lautet denn auch: Sozietäten, die sich breiter aufstellen und als Full Service-Kanzlei agieren, statt opportunistisch nach kurzfristigen Marktchancen und maximaler Honorierung zu streben, sind vor Wirtschaftskrisen besser gefeit.

Was die Marktchancen des einzelnen Juristen angeht, lässt sich aus den Entwicklungen der vergangenen Jahre der Schluss ziehen, dass sich ­­­­eine Zulassung als Fachanwalt sicher bezahlt macht - ganz gleich, ob es um eine Spezialisierung auf Arbeits-, Insolvenz- oder Kapitalmarktrecht geht -, schon um sich aus dem Heer der rund 153.000 in Deutschland zu­gelassenen Anwälte abzuheben. An diese waren in Deutschland Anfang 2010 exakt 38.745 Fachanwalts­titel verliehen.

Wer einen Titel als Fachanwalt erwirbt, das ergab eine Studie des Soldan-Instituts für Anwaltsmanagement, erzielt bessere Umsätze, denn er kann im Schnitt um 43 Prozent höhere Stundensätze vereinbaren. "Die wirtschaftliche Situation der Fachanwälte ist wesentlich besser als im Rest der Anwaltschaft", sagt Matthias Kilian vom Soldan Institut. Dabei reicht die Spanne von knapp 20 Prozent im Miet- und Wohnungseigentumsrecht bis hin zu Umsatzsteigerungen von mehr als 55 Prozent im Medizinrecht. Am beliebtesten unter den 20 Fachanwaltstiteln ist das Arbeitsrecht, gefolgt vom Familienrecht, dem Steuerrecht und Verkehrsrecht.

"Die fortschreitende Verrechtlichung unseres Alltags erfordert mehr und mehr spezialisierte, hochkompetente anwaltliche Beratung", bestätigt auch Axel Filges, Präsident der Bundes­anwaltskammer. Er geht davon aus, dass die Zahl der Fachanwälte weiter zunimmt. Sogar multiple Spezialisierungen sind inzwischen auf dem Vormarsch, obwohl es mit einer gehörigen Belastung verbunden ist, sich nebenberuflich der Ausbildung und Zulassung zum Fachanwalt zu unterziehen. Die Möglichkeit, drei Fach­anwaltstitel zu führen, haben daher bislang auch nur eine einige Dutzend Anwälte genutzt.

>>> Risiken

In kaum einer anderen Qualifikation wie in der Juristerei müssen akademisch gebildete Nachwuchskräfte schon seit geraumer Zeit so schmerzvoll erfahren, dass eine gute Ausbildung kein Garant für ein Einkommen ist, das zum Leben reicht. Schuld daran ist die schlichte Tatsache, dass es weit mehr Juristen als Arbeit gibt. Kamen 1960 laut einer Studie des Instituts für freie Berufe (IFB) in Nürnberg auf 10.000 Bundesbürger im Schnitt gerade einmal 3,3 Anwälte sind es heute 18,3 - also mehr als fünfmal so viele. Jährlich strömen laut IFB 8.000 bis 10.000 Absolventen des zweiten Staats­examens auf den Arbeitsmarkt. Lediglich vier Prozent von ihnen bekommen die Chance, als Richter oder Staatsanwalt Karriere zu machen, da es bundesweit insgesamt nur rund 20.000 Richter und 5.000 Staatsanwälte gibt. Weitere sechs Prozent eines Jahrgangs kommen anderswo im öffentlichen Dienst unter.

Und auch in der freien Wirtschaft sind die Anstellungsmöglichkeiten begrenzt. Etwa 15 Prozent schaffen es, in Unternehmen oder Verbänden einen Job zu ergattern. Hier konkurrieren Juristen zunehmend mit Betriebs- und Volkswirten oder auch Wirtschaftsinformatikern um die ausgeschriebenen Stellen. "Vor allem Berufsanfängern ohne oder mit geringer Berufserfahrung fällt der Berufseinstieg derzeit schwerer; so sind fast zwei Drittel der arbeitslosen Juristen noch keine 35 Jahre alt", berichtet Ilona Mirtschin von der Bundesagentur für Arbeit. Fazit: Drei von vier Absolventen sind gezwungen, als Rechtsanwalt anzufangen, möchten sie an ihrem erlernten Beruf festhalten.

Doch auch in der Anwaltschaft herrscht eine klare Zwei-Klassen-Gesellschaft. Die kleine Zahl der High Potentials, die mit Top-Noten, LL.M. und im schönsten Fall noch mit Auslandserfahrung antritt, hat selten Probleme, in den Top-Kanzleien zu landen und bereits im Einstieg Jahressaläre von 100.000 Euro auszuhandeln. Doch das sind nur wenige: Die 50 größten Wirtschaftskanzleien vereinten 2008/2009 ganze 40 Prozent des relevanten Marktumsatzes auf sich, beschäftigen aber nur vier Prozent aller Juristen.

In vielen dieser Großkanzleien wartet auf junge Juristen eine Arbeitswoche mit bis zu 80 Stunden und einer konsequenten Orientierung an "billable hours": Zeit zählt nur als Arbeitszeit, wenn sie dem Kunden in Rechnung gestellt werden kann. Lektüre von Fachzeitschriften, Weiterbildung und Gespräche mit Kollegen müssen dann in der "Freizeit" stattfinden. Diese Kultur haben anglo-amerikanische Großkanzleien in den deutschen Markt gebracht. Zu der gehört auch, dass in wirtschaftlich schweren Zeiten die Ansage aus London oder New York kommen kann, dass zu viele Partner an Bord sind und dies die Rentabilität der Kanzlei beeinträchtige. Dann werden selbst verdiente Partner ohne jede Skrupel vor die Tür gesetzt. Freshfields war die erste Kanzlei, die damit für Empörung in der Zunft sorgte, dann machte auch Clifford Chance Negativ-Schlagzeilen in der Fachpresse.

Die Garantie, nach ein paar Jahren in die Partnerriege einer Kanzlei aufsteigen und dort bis zum Lebensende bleiben zu können, hat sich in dieser Liga somit auch überlebt. Juristen, die die formalen Qualifikations-Ansprüche der riesigen Law Firms nicht erfüllen oder von diesen nach einer Weile die Nase voll haben, landen sehr häufig in mittelgroßen Kanzleien, in denen die Kultur oft sehr stark von Gründerpersönlichkeiten geprägt ist.

Wer weder bei den renommierten Großkanzleien noch in Sozietäten mittlerer Größe unterkommt, dem bleibt meist nur die Gründung einer eigenen Kanzlei - mit Einkünften, die nach Angaben der Bundesrechtsanwaltskammer gerade mal auf Hartz IV-Niveau liegen. Ein Einzelkämpfer erwirtschaftet demnach knapp über 1.500 Euro - und kann nach Abzug aller Kosten davon gerade mal 576 Euro zum Leben übrig behalten. Julia Leendertse

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