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Die nächste Stufe der Globalisierung

Foto: pixelio.de/H. Wanetschka

Kaum eine Branche ist so abhängig davon, dass die Wirtschaft brummt, wie die Unternehmensberater. Jobchancen ergeben sich 2012 vor allem bei globalen Consulting-Factories und führenden Spezialisten, die ihren Mandanten Expertenwissen und Internationalität zu bezahlbaren Preisen bieten.

>>>Chancen

Die Finanzkrise von 2008 hat nicht nur das Vertrauen in die Bankenwelt erschüttert. Sie hatte auch die Entzauberung ihrer Ratgeber zur Folge. Was über Nacht wie ein Kartenhaus zusammenbrach, war auch auf dem Mist der Strategieberater und Finanzdienstleistungsexperten von McKinsey, BCG & Co. gewachsen. Vier Jahre später - 2012 - steht die Finanzwelt und damit die gesamte Weltwirtschaft erneut am Abgrund - und die Berater vor einem Berg von Arbeit: "Ein großer Teil des Geschäfts im Beratungsmarkt wird 2012 aus den Finanzdienstleistungen kommen: die Beratung von Banken bei Umstrukturierungen, beim Umbau ihrer Geschäftsmodelle und Anpassung an die neuen Regularien", erwartet Martin Wittig, Chef der Unternehmensberatung Roland Berger Strategy Consultants.

Für Martin Sonnenschein, den Chef von A.T. Kearney, stehen 2012 zwei Themen ganz oben auf der Agenda: die nächste Stufe der Globalisierung und der Umbau der Energiewirtschaft. "Bei unseren Kunden wird höchste Priorität haben, dass sie Strategien benötigen für die Expansion ins Ausland, ihre Lieferketten angesichts stark schwankender Rohstoffpreise und unruhiger Finanzmärkte absichern sowie Kosten und Liquidität managen müssen."

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Und Christian Veith, Deutschlandchef der Boston Consulting Group, glaubt, dass Unternehmen neben Wachstumsstrategien und Projekten zur Effizienzsteigerung vor allem Rat benötigen bei der Erweiterung und Bereinigung ihrer Portfolios. Was Wachstum und Beschäftigung der Branche angeht, gibt sich die Beraterzunft daher für 2012 zuversichtlich. Mit einem Umsatzplus von zehn Prozent im Jahr 2011 im Rücken geht sie gut gestimmt ins neue Jahr, stellt das Marktforschungsinstitut Lünendonk fest. Den Branchenumsatz berechnet der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) auf 20 Milliarden Euro. "Auch wenn sich im letzten Quartal 2011 erste Bremsspuren in den Auftragsbüchern zeigten, gehen wir davon aus, dass wir 2012 ein Wachstum im einstelligen Bereich sehen werden", sagt BDU-Präsident Antonio Schnieder.

Dabei ist der Beratungsmarkt in Deutschland mit mehr als 14.000 Beratungsfirmen und 117.500 Mitarbeitern - darunter 87.350 Berater - äußerst heterogen. Dominiert wird er von tausenden mittelständischen und kleinen Beratungsgesellschaften sowie vielen Einzelberatern, die - teils nach langjähriger Zeit im Management der Industrie - noch einige Jahre als Consultant unterwegs sind.

Inhaltlich angeführt wird das Geschäft aber von großen, international agierenden Beratungsunternehmen wie McKinsey, Boston Consulting Group, Bain oder Booz, die ihre Klienten aus dem Dax und dem gehobenen Mittelstand bereits seit Jahren bei grenzüberschreitenden Aktivitäten begleiten. Diese Top-Strategieberatungen nehmen für sich in Anspruch, in einer eigenen Liga zu spielen und bieten ihren Mandanten als Fullservice-Dienstleister die gesamte Bandbreite von der Strategie- bis hin zur umsetzungsorientierten Prozessberatung an.

War jedoch noch zu Beginn des Jahrtausends der Markt in Deutschland sehr klar als Zwei-Klassengesellschaft geordnet, so ist das inzwischen längst nicht mehr der Fall. Zunehmend haben nämlich in vergangenen Jahren mittelgroße Beratungsgesellschaften, die auf bestimmte Fachgebiete oder Branchen spezialisiert sind, an Renommee und Marktanteilen gewinnen können. Typische Beispiele sind der Pricingspezialist Simon Kucher & Partners und die auf Controlling und Unternehmenssteuerung fokussierte Beratungsfirma Horváth & Partners.

Auf dem Arbeitsmarkt für Berater wirkt sich die Branchenentwicklung derzeit so aus, dass sieben von zehn Management-Beratungen in Deutschland lautstark über Fachkräftemangel klagen, wie die VDI Nachrichten melden. Bei einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Lünendonk unter 60 Beratungsunternehmen gaben 72 Prozent an, dass der Mangel an qualifiziertem Personal ihre weitere Geschäftsentwicklung "sehr stark" oder "stark" behindere. Damit habe der "War for Talent" die Finanzkrise als größtes Hindernis für den Unternehmens­erfolg in der Beraterbranche abgelöst, sagt der Marktforscher Lünendonk.

Die offiziellen Recruitingzahlen der Topberatungen bestätigen dies: McKinsey und Boston Consulting Group planen in Deutschland jeweils mehr als 200 Neueinstellungen, Roland Berger Strategy Consultants rund 150, A.T. Kearney will 100 neue Mitarbeiter an Bord nehmen, davon rund 50 mit zwei bis vier Jahren Berufserfahrung.

Ein Grund für die hohen Bedarfe liegt bei den zehn umsatzstärksten Beratungsunternehmen in der Fluktuationsrate, die mit 14,3 Prozent deutlich höher liegt als die durchschnittliche Berater-Fluktuationsrate von knapp über zehn Prozent.

Im Schnitt ist der deutsche Berater 37 Jahre alt. Nur jeder fünfte ist weiblich. Die Mehrheit - mit 53 Prozent - hat Wirtschaftswissenschaften studiert, aber es sind auch viele Ingenieure (19 Prozent) sowie Naturwissenschaftler und Informatiker (je zehn Prozent) darunter. McKinsey, BCG, Oliver Wyman und Simon Kucher geben zudem hochtalentierten Geisteswissenschaftlern eine Chance.

Neben Absolventen suchen die Beratungen inzwischen allerdings auch verstärkt nach berufserfahrenen Spezialisten, die in IT, Vertrieb oder Social Media über rares Wissen verfügen oder sich an der Schnittstelle verschiedener Disziplinen geschmeidig bewegen können. Besonders hochkarätige Spezialisten buchen die Beratungshäuser teilweise auch als Berater auf Zeit, anstatt sie selbst fest einzustellen.

Auch die Wirtschaftsprüfer hierzulande müssen sich 2012 keine großen Gedanken über ihre Jobperspektiven machen. Die Nachfrage nach Wirtschaftsprüfern wie nach Steuerberatern steige weiter, sagte Judith Wüllerich, Arbeitsmarktexpertin der Bundesagentur für Arbeit dem Handelsblatt. Gerade mal 180 der rund 14.200 Wirtschaftsprüfer hierzulande waren im November 2011 arbeitslos gemeldet.

Die Gründe dafür liegen zum einen in der "Finanzkrise Teil II", die den Bilanzexperten eher in die Hände spielt, denn gerade in Krisenzeiten steigt der Beratungsbedarf der Wirtschaft. Überdies müssen Finanzdienstleister ebenso wie die Industrie noch strengere Regularien des Gesetzgebers erfüllen und transparenter werden, was ihre Risiken anbelangt. Und drittens steht der WP-Branche ein Generationswechsel bevor, was für Neueinsteiger wie Jobwechsler gute Jobchancen verspricht.

Die größten Arbeitgeber der Branche sind die Weltmarktführer PricewaterhouseCoopers (PwC), KPMG, Ernst & Young und Deloitte. Sie haben für 2012 angekündigt, jeweils zwischen 1.500 und 1.600 Hochschulabsolventen zu rekrutieren. Da die "Big Four" als die unangefochtenen Top-Jobadressen gelten und durch die Bank erhebliche Summen in die Aus- und Weiterbildung ihres Nachwuchses investieren, sind sie bei Nachwuchskräften aus den Wirtschaftswissenschaften, der Juristerei und dem Wirtschaftsingenieurwesen entsprechend beliebt.

"Im Schnitt erhalten wir im Jahr 40.000 Bewerbungen und stellen davon nur die besten Talente ein.D ie talentiertesten Leistungsträger erhalten die Chance, in der Hierarchie als Partner aufzusteigen. Viele nutzen jedoch die Möglichkeit, nach ein paar Jahren auf die Kundenseite zu wechseln und steigen dann zum Beispiel als kaufmännischer Leiter bei einem Unternehmen ein", sagt Georg Graf Waldersee, Deutschlandchef von Ernst & Young. Entsprechend hoch ist die Fluktuationsrate bei den Big Four.

Nicht zuletzt, weil die EU angekündigt hat, die Übermacht der Big Four zu brechen, ist der Mittelstand in der Wirtschaftsprüferbranche im Aufwind. Hier hat es in den vergangenen Jahren einige Fusionen und Übernahmen gegeben und so wird der Einstieg bei einer der mittelgroßen Gesellschaften wie BDO, Rödl & Partner oder Ebner Stolz Mönning Bachem immer attraktiver. "Sie investieren in die eigene Internationalisierung und bieten Quereinsteigern wie Nachwuchskräften attraktive Aufstiegschancen", weiß Hellmuth Wolf, Partner der Executive Search-Beratung Signium International. Und wie bei den vier Branchengiganten sei es inzwischen auch bei etlichen mittelständischen Sozietäten üblich geworden, ganze Spezialistenteams von Wettbewerbern abzuwerben.

Bild: Gerd Altmann/Pixelio

>> Risiken

Zwei Entwicklungen setzen die Beratungsgesellschaften jedweder Größenordung zunehmend unter Druck: "Die Klienten wollen weniger, aber dafür bessere Berater", sagt BDU-Präsident Schnieder. "Sie achten noch mehr als früher darauf, dass die Beratungskosten nicht aus dem Ruder laufen, erwarten aber gleichzeitig von ihren Consultants, dass sie über profunde Erfahrung in ihrer Branche und fundiertes Spezialwissen verfügen."

Gleichzeitig steigt auch der Druck auf die Beratungshäuser, Strategien vor dem Hintergrund der globalen Gesamtentwicklung aufzeigen und bewerten zu können. "Global vernetzt zu sein und auch über eigene Geschäftserfahrung in den Wachstumsmärkten Asiens und Lateinamerikas zu verfügen: Dieser Anforderung müssen sich auch kleinere Beratungshäuser früher oder später stellen", urteilt Schnieder.

Die absehbare Folge: "In den nächsten Jahren wird der Beratungsmarkt zahlreiche Fusionen erleben. Darunter auch Zusammenschlüsse von Playern, die bereits heute weltweit unterwegs sind", prognostiziert Dietmar Fink, Professor für Unternehmensberatung an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.

2012 könnte zudem ein neuerlicher konjunktureller Abschwung den Preisverfall in der Branche weiter anheizen. Von den Zugeständnissen, die die Kunden in der Krise 2009 bei den Honoraren erzwungen haben, konnte sich die Branche auch in den Aufschwungjahren 2010 und 2011 nicht erholen. Auch hier tut die Globalisierung das ihre: Wer weiß, dass er einen indischen Senior-IT-Berater schon ab 175 Euro pro Tag anheuern kann, tut sich schwer damit, einem deutschen IT-Berater 1.000 oder mehr Euro für die gleiche Leistung zu zahlen.Und auch in der Strategieberatung, die nach wie vor als Königsdisziplin der Unternehmensberatung gilt, sind die Honorare geschrumpft: Im Schnitt 3.000 Euro berechneten McKinsey, BCG & Co. früher. Heute rangieren die Tagessätze bei 800 Euro für einen Jungberater und 1.600 Euro für einen berufserfahrenen Consultant. Lediglich die Senior Partner erreichen noch Honorare zwischen 3.000 und 5.000 Euro am Tag.

Mit sinkenden Durchschnittshonoraren und steigender Nachfrage nach berufs- und branchenerfahrenen Spezialisten bröckelt allerdings auch das Modell der Unternehmensberatung als Kaderschmiede für Hochschulabsolventen. Funktionierte das Geldverdienen in den Beratungshäusern früher nach dem Pyramidenprinzip - viele junge Berater erwirtschaften den Umsatz für wenige Seniorberater an der Spitze - müssen sich die einst privilegierten Partner zunehmend mit geringeren Renditen zufrieden geben oder eben doch selbst an der Projektfront antreten.

Mündet die Euro- und Finanzkrise in einer Rezession, könnte es vor allen Dingen eng für Berater werden, die ihre Kunden nicht davon überzeugen können, dass sich die Investition in Beratung ruckzuck wieder amortisiert. Eng wird es auch für mittelständische Beratungshäuser, die sich als Allrounder nicht ausreichend global aufgestellt haben. Unternehmen werden rein nationalen und zu schmal aufgestellten Beratungsplayern auf lange Sicht nicht abnehmen, dass sie wissen, wohin es auf den Märkten der Schwellenländer geht, was sich auf den etablierten Märkten ändert und in welche Richtung sich Weltpolitik und Weltwährungen entwickeln werden.

Alle großen Unternehmensberatungen seien bereits lange Zeit in China und hätten sich dort etabliert, erklärte Burkhard Schwenker, Aufsichtsratschef von Roland Berger, auf dem Beratertag des BDU. Aber auch kleinere und mittlere Beratungshäuser kämen zukünftig nicht daran vorbei, Geschäftserfahrung auf den Boom-Märkten zu sammeln. Für sie werde der Einstieg jedoch nicht leicht - auch in Brasilien, China und Indien herrsche zunehmend Verdrängungswettbewerb. Berater, die noch nicht über Geschäftserfahrung in den BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) verfügten, müssten spätestens jetzt ihre Internationalisierung vorantreiben, pflichtet auch BDU-Präsident Schnieder bei.

Dort aber machen die großen internationalen Strategieberatungen Neuankömmlingen den Markteintritt nicht gerade leicht. Mehr noch: In den noch jungen Beratungsmärkten Asiens, Osteuropas und Lateinamerikas entwickeln sich bereits neue nationale Beratungsplayer, die vielleicht schon in wenigen Jahren den Beratungsmarken der westlichen Industrienationen in deren Heimat Konkurrenz machen werden.

Ironie des Schicksals: McKinsey, BCG, Roland Berger & Co. bilden zurzeit in den Schwellenländern genau die Berater selbst aus, die ihnen schon bald in den etablierten Märkten unter anderem Markendach Aufträge abjagen könnten.

Dasselbe gilt auch für die Wirtschaftsprüfungsgiganten PwC, KPMG, Deloitte und Ernst & Young. Einerseits freuen sich die Big Four über ihre hohen Wachstumsraten, vor allem in Asien. Doch die Angst wächst, dass ehemalige Kollegen in China eigene Wirtschaftsprüferfirmen gründen, nach Europa kommen und hier mit mittelgroßen Kanzleien fusionieren, um anschließend den Markt aufzurollen.

Das gilt umso mehr, als die Wirtschaftsprüferlandschaft in ganz Europa ohnehin schon unter Beschuss geraten ist. Ende 2012 legte EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier seine Gesetzespläne für die Neuordnung der Abschlussprüferszene vor. Der Franzose ist fest entschlossen, die Vormachtstellung der Big Four zu brechen und will sie künftig zwingen, ihr Prüfungs- und Beratungsgeschäft strikt voneinander zu trennen. Doch das Gesetz muss erst noch vom EU-Parlament und dem EU-Ministerrat durchgewunken werden. Zwei bis drei Jahre könnten noch ins Land gehen, bis endgültig klar ist, wie die neue Welt der Prüfer und Berater in Europa aussehen soll.

Julia Leendertse


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