Da aber Größe und Umsatz die Eigenheiten dieser Unternehmen als Arbeitgeber gar nicht erfassen, bedient man sich lieber des Begriffs der Familienunternehmen oder inhabergeführten Unternehmen. Deren Charakteristikum: Eigentum und Management liegen in einer Hand oder sehr eng beieinander. Und da ist es dann für die Unternehmens- und Führungskultur einerlei, ob die Firma noch als Mittelstand zählt oder wie bei Würth, Robert Bosch oder Dr. Oetker Milliarden umsetzt und mehrere Tausend Mitarbeiter zählt. 95 Prozent der deutschen Unternehmen - quer durch alle Branchen - werden nach einer Studie der Stiftung Familienunternehmen von ihren Inhabern geführt. Sie erwirtschaften 42 Prozent der deutschen Wertschöpfung und beschäftigten mehr als 13 Millionen Mitarbeiter - mehr als jeden zweiten deutschen Arbeitnehmer.
Mit einer Umsatzrendite von zehn bis zwölf Prozent vor Steuern schlagen sie die Gesamtwirtschaft um Längen, denn die schafft nur fünf bis sechs Prozent, sagt eine Studie der Unternehmensberatung Simon-Kucher & Partner. Ein Grund dafür ist, dass viele Firmen hochspezialisiert sind, langfristig ausgerichtet auf eine Nische, von der sie eine Menge verstehen - sei es als Windenergieanlagenbauer, als Fachunternehmen für Betonverschalungen, als Messgerätehersteller, als Spezialist für Schläuche aller Art oder Wurstwarenfabrikant.
Von den 2.000 globalen Weltmarktführern kommen laut Simon-Kucher zwei Drittel aus dem deutschsprachigen Raum. 70 Prozent der deutschen Hidden Champions sind mehrheitlich in Familienhand. Sie ticken oft gänzlich anders als ein Konzern. Die prägnantesten Unterschiede sind:
- Flache Hierarchien. Für Berufsstarter bedeutet dies, dass sie schneller Verantwortung tragen können - aber auch müssen, denn Wegducken in die zweite Reihe funktioniert hier nicht, die eigenen Leistungen werden sichtbarer. Aber: Bei flachen Hierarchien stößt man schneller an Beförderungsgrenzen. Karriere sollte man daher eher als das Wachsen der Kompetenz verstehen als im Sinne von hierarchischem Aufstieg.
- Mehr Generalist als Spezialist. Das individuelle Aufgabenspektrum fällt bei einem Mittelständler meist breiter aus als im Konzern.
- Kurze Wege. Entscheidungen fallen schneller, weil weniger Instanzen einzubinden und weniger Leute zu überzeugen sind. Vorhaben können so viel schneller realisiert werden.
- Eine gewisse Bodenständigkeit. Im Mittelstand sind Macher gefragt. Das Umsetzen einer Aufgabe gilt als wichtiger als der nächste Karriereschritt. Die Geschäftsleitung ist im Alltag oft sichtbarer als im Konzern. Passend dazu pflegen viele Familienunternehmen einen eigenen Wertekanon.
- Regionale Verbundenheit. Familienunternehmen sind fast immer seit Jahrzehnten in einer Region ansässig und spielen da eine gesellschaftliche Rolle. Das erhöht für sie den Druck, ihren guten Ruf zu wahren - was Mitarbeitern eine gewisse Arbeitsplatzstabilität beschert.
- Langfristige Ausrichtung. Da sie in der Regel keine Renditebedürfnisse von Finanzinvestoren erfüllen müssen, gönnen sich inhabergeführte Unternehmen längere Planungsintervalle. Neue Projekte bekommen mehr Anlaufzeit und Kontinuität und Nachhaltigkeit werden höher bewertet als schnelles Wachstum.
Unterm Strich sind Familienunternehmen sehr treu. Aber auch ihre Mitarbeiter sind es ihnen gegenüber: Die Fluktuation in der Belegschaft ist ausgesprochen niedrig. Im deutschen Durchschnitt verlassen mehr als sieben Prozent der Mitarbeiter pro Jahr ihren Arbeitgeber, in Familienunternehmen gehen
jährlich nur 2,7 Prozent.
Das gilt jedoch nur bedingt für Jobstarter, denn sie werden in der Probezeit nach allen Regeln der Kunst unter die Lupe genommen. Es muss halt passen. Querschläger fallen hier stärker zur Last als in Konzernen, wo man einen Kandidaten zur Not auch versetzen kann.
Nach einer Studie der Wirtschaftsprüfung Deloitte sind Mittelständlern daher auch persönliche und soziale Kompetenzen wichtiger als Fachkenntnisse. Mit glänzenden Noten können Bewerber hier weniger punkten als mit Praxiserfahrung, Generalisten-Know-how und vor allem Persönlichkeit. "Schließlich", sagt Stefan Heidbreder, Geschäftsführer der Stiftung Familienunternehmen, "geht es
hier nicht nur um Personal. Bei den meisten Mittelständlern ist man dann auch so etwas wie ein Familienmitglied." Ulrike Heitze