Mäuse her! Und nicht zu knapp!
Gute Nachwuchskräfte werden in vielen Branchen zunehmend rar. Das schlägt sich mittlerweile auch in den Gehältern nieder. Trotzdem sind Gespräche übers liebe Geld längst noch kein Selbstläufer. Wie man sie gut und erfolgreich über die Bühne bekommt, erklärt Jobguide-Gehaltsexpertin Ulrike Heitze.
>>> Wie wichtig sind Gehaltsverhandlungen?
Sehr. Vergütungsexperten sind sich einig, dass für qualifizierte Positionen Tarifverträge immer weiter an Bedeutung verlieren und bald jeder nur noch das verdient, was er sich selbst eingehandelt hat. Mittlerweile ist es in vielen Unternehmen Usus, für Fach- wie Führungskräfte Ziel- und Bonusvereinbarungen zu schließen und Jahresgespräche zu führen. Dort wird dann ohnehin regelmäßig über Leistung und Gehalt gesprochen.
Und schon aus Karrieregründen sollte man das Thema gelegentlich beim Chef aufs Tapet bringen, denn die Diskussion übers Gehalt ist ein Teil der Selbstvermarktung und gehört mit zum Job. Die Wertigkeit eines Mitarbeiters wird nach wie vor wenig charmant in Geld bemessen. Wer wenig verdient, ist weniger angesehen. Wer nie Ansprüche anmeldet, wird auch nie in seinem Wert wahrgenommen. Deshalb dienen Gehaltsgespräche nicht nur dem finanziellen Fortkommen, sondern auch der Imagebildung – und sollten entsprechend professionell angegangen werden.
>>> Wonach bemisst sich das Gehalt?
Das Gehaltsniveau in Unternehmen ist hierzulande stark beeinflusst von drei Faktoren: der Unternehmensgröße, der Region und der Branche. Schwanken die Gehälter in vergleichbaren Positionen ohnehin schon um bis zu 20 Prozent – je nachdem zum Beispiel, wie man sich im Gehaltsgespräch geschlagen hat –, so werden sie noch mal durch diese Kriterien kräftig auseinander gezogen.
Am stärksten schlägt dabei die Unternehmensgröße durch: je größer, desto besser wird verdient. So kann, gemäß einer Studie der VDI Nachrichten, ein Ingenieur beim Einstieg in ein Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitern im Schnitt mit gut 46.000 Euro Jahresgehalt rechnen, während ihm ein 50-Mann-Betrieb im Schnitt 8.000 Euro pro Jahr weniger anbieten könnte.
Und das Managermagazin rechnet in einer Gehaltsstudie vor, dass Führungskräfte in großen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern bis zu 25.000 Euro mehr verdienen als Kollegen in gleicher Position in kleineren Unternehmen mit weniger als 100 Beschäftigten.
Allein schon dieser Umstand ist Grund genug, bei jeder einzelnen Bewerbung den Gehaltswunsch zu überdenken und dem potentiellen Arbeitgeber entsprechend neu zu recherchieren. Fatal wäre es, immer mit den gleichen Forderungen ins Gespräch zu gehen.
>>> Wie schlägt sich die Region nieder?
Im europäischen Vergleich zwar eher moderat ausgeprägt, ist das regionale Gefälle bei den hiesigen Einkommen aber dennoch ein Faktor, den man bei Gehaltsgesprächen im Hinterkopf haben sollte. Denn: Wer sich bei einem Wechsel „vom Land“ in eine Hochpreisstadt wie München, Hamburg oder Frankfurt zu billig einkaufen lässt, kriegt später Probleme mit der Finanzierung seines Alltags. Grundsätzlich gilt: Im Süden wird besser bezahlt als im Norden, im Westen besser als im Osten und in der Stadt mehr als auf dem platten Land. Der Vergütungsdienstleister Personalmarkt hat beispielweise errechnet, dass ein Softwareentwickler in Frankfurt am Main im Schnitt 57.000 Euro verdient, während der Kollege in Frankfurt/Oder mit 37.000 Euro nach Hause geht.
Zu den Bestzahler-Gegenden gehören über alle Branchen hinweg München, das Rhein-Main-Gebiet um Frankfurt und die Region Köln-Düsseldorf. Hier gibt es zehn bis zwanzig Prozent mehr als im Bundesschnitt. Ebenfalls noch leicht überdurchschnittlich zahlen Unternehmen in Stuttgart und Hamburg.
Im Ruhrgebiet und einigen anderen Weststädten wird es schon leicht unterdurchschnittlich. In der deutschen Bundeshauptstadt gibt es rund fünf Prozent unterm Schnitt. Deutliche Abstriche müssen Arbeitnehmer auch im restlichen Ostdeutschland hinnehmen: Sie verdienen trotz Großstadtbonus in Dresden, Frankfurt/Oder, Leipzig und Halle gut 15 Prozent weniger als der Durchschnitt.
>>> Welchen Einfluss hat die Wahl der Branche?
Neben der Unternehmensgröße und der Region spielt die Branche bei der Einkommenshöhe eine entscheidende Rolle. Zum einen, weil es den Wirtschaftszweigen unterschiedlich gut geht, zum anderen, weil sie sich historisch bedingt unterschiedliche Gehaltsniveaus leisten. Ein Beispiel: Nach Erhebungen der VDI Nachrichten kann ein Ingenieur als Einsteiger in der Energieversorgung mit rund 44.000 Euro rechnen. Für die gleiche Position wären im Baugewerbe 36.600 Euro zu bekommen.
Zu den Gutbezahler-Branchen mit überdurchschnittlichen Gehältern zählen traditionell: Banken und Finanzdienstleister, Pharma-, Chemie- und Biotechindustrie, Medizintechnik, Automobil, Luftfahrt- und Halbleiterindustrie, IT und Elektrotechnik, Anlagen- und Maschinenbau, Kosmetik und Konsumgüter, Unternehmensberatung, Energieunternehmen und Versicherer. Im guten Mittelfeld liegen Medien und Presse, Bekleidung, Textil und Handel, Teile der Bauwirtschaft sowie die Telekommunikation.
Chronisch schwach auf der Brust sind die Gehälter in Werbung und PR, Logistik, Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung (sofern man nicht gerade bei den Großen der Branche landet), Personalberatung, öffentlichem Dienst, Touristik, Recht sowie Zeitarbeit, Handwerk, Gastronomie und Hotellerie. Grundsätzlich schlagen sich die Branchenunterschiede stärker in den Gehältern sehr spezialisierter Positionen wie im Vertrieb, in Forschung und Entwicklung oder in der Konstruktion nieder. Branchenübergreifende Funktionen wie Personaler sind weniger stark betroffen. Da orientieren sich Unternehmen nicht so stark an der eigenen Branche, sondern am Gesamtarbeitsmarkt.
Ingenieure auf Stellensuche treffen es in Sachen Gehalt derzeit im Bereich Chemie und Pharmazie am Besten. Dort verdient nach einer Studie der VDI-Nachrichten ein Projekt-Ingenieur im Schnitt fast 52.600 Euro. Auf den weiteren Plätzen der Vergütungshitliste folgen der Fahrzeugbau mit 50.200 Euro, die IT-Branche mit 48.600 und der Maschinen- und Anlagenbau mit 48.500 Euro. Schlusslichter bei der Vergütung der Ingenieure bleiben wie bisher das Baugewerbe (43.750) und die Ingenieur- und Planungsbüros (42.000).
>>> Unterscheiden sich Gehälter von Fach- und Führungskräften?
Führungskräfte verdienen mehr. Während Fachkräfte in Deutschland vielfach noch nach Tarifgruppen bezahlt werden und es je nach Leistung und Position außertarifliche Zulagen wie Jahresprämien gibt, werden Führungskräfte meist gleich außertariflich bezahlt. Mindestens zehn bis 15 Prozent mehr gibt es für Leute, die Mitarbeiter zu führen haben. So erhält nach einer Studie der VDI-Nachrichten ein Projektingenieur bei einem Energieversorger im Schnitt 48.100 Euro, als Manager des Projektes sind dagegen 66.350 Euro drin, als Gruppen- oder Teamleiter sogar 70.270 Euro. Denn mit der Zahl der Schäflein steigt auch der Zuschlag.
In einer Fachlaufbahn dagegen kommt man über das Gehalt eines Gruppenleiters selten hinaus, wie die Vergütungsberatung Kienbaum feststellt. Erst einige Unternehmen ermöglichen ähnlich hoch dotierte Spezialistenkarrieren. So langsam findet aber auch hier ein Umdenken statt.
>>> Warum verdienen Frauen weniger?
Wenn man ganz bösartig sein will: weil sie selber schuld sind. Personaler berichten, dass Frauen sich für den gleichen Job oft zehn bis 15 Prozent billiger einkaufen lassen als Männer, eine McKinsey-Studie hat sogar 20 Prozent ermittelt. Das fängt schon beim Berufseinstieg an: Gehen Absolventinnen im Schnitt von einem Monatsbrutto von 2.800 Euro aus, gehen die Kommilitonen mit 3.460 Euro vor Augen ins Rennen. Und auch später in Gehaltsverhandlungen mit dem Chef sind Frauen schneller zufrieden als Männer, wie Studien und Berichte von Personalverantwortlichen zeigen.
Aber natürlich ist das nur eine Seite der Wahrheit. Fakt ist auch, dass Frauen durch Babypausen oder Teilzeitjobs wertvolle Karrierezeit „verlieren“ und in dieser Zeit diverse Gehalts- und Beförderungsrunden aussetzen. Darüber hinaus begeistern sie sich öfter für schlechter bezahlte Branchen und Berufsbilder oder landen in kleineren Firmen.
Das alles erklärt gewisse Gehaltsungerechtigkeiten dennoch nicht. In der Analyse der Frauengehälterzahlen in seiner Datenbank stellt Personalmarkt beispielsweise Abschläge von fünf bis zwanzig Prozent je nach Arbeitsbereich fest. Nahezu gleichwertig werden danach Frauen in IT-Positionen bezahlt, die größten Abschläge im Gegensatz zu Männern wurden in Finanz- und Personalpositionen ausgemacht. Eine Analyse der VDI-Nachrichten ergab, dass Ingenieurinnen aktuell immer noch 7,3 Prozent weniger verdienen als die Kollegen (Vorjahr: 8,3 Prozent). Tatsache bleibt, dass Frauen bei gleicher Qualifikation nur im Öffentlichen Dienst das gleiche Geld bekommen wie Männer. In der Privatwirtschaft erhalten sie in vielen Bereichen nach wie vor weniger. Umso wichtiger gerade für Frauen, immer wieder Gehaltsverhandlungen zu führen.
>>> Um welche Beträge geht’s im Jobgespräch?
In der Regel wird über Jahresgehälter verhandelt, manche Unternehmen rechnen Weihnachts- und Urlaubsgeld in diese Summe ein, andere nicht. Die exakte Zusammensetzung sollte man daher vor Vertragsunterschrift unbedingt klären, weil ein Missverständnis leicht ein paar Tausend Euro pro Jahr kostet. Ebenso zu vereinbaren: Gibt es leistungsabhängige Boni? Welche Leistung wird dafür erwartet? Erscheint sie Ihnen realistisch und annähernd erfüllbar? Gibt es Altersvorsorge, vermögenswirksame Leistungen, Jobticket, Kantinenzuschuss oder ähnliches?
>>> Welche Rolle spielen variable Gehälter?
Seit einigen Jahren auf dem Vormarsch ist die variable Vergütung. Waren es früher nur leitende Angestellte, die erfolgsabhängige Boni oder Prämien bekamen, hält dieser Vergütungsbaustein auch bei Fachkräften immer mehr Einzug. So werden höhere Führungsetagen mittlerweile zu 70 bis 80 Prozent variabel bezahlt, also geknüpft an berufliche Erfolge. Fachkräfte werden zu 20 bis 30 Prozent leistungsabhängig vergütet, in einigen Funktionen, wie Marketing oder Vertrieb, können es auch 50 Prozent und mehr werden. Auch Tarifmitarbeiter erhalten schon zehn Prozent ihres Geldes leistungsabhängig. Tendenz: deutlich steigend.
Im ersten Berufsjahr fallen variable Gehaltsbestandteile wie Prämien oder Bonuszahlungen noch eher gering aus, außer möglicherweise bei Marketing- und Vertriebsjobs. Aber ab dem zweiten Jahr etablieren sich immer mehr variable Vergütungsbestandteile, die nur bei Erreichen einer bestimmten individuellen Leistung oder einem geplanten Erfolg des Gesamtunternehmens gezahlt werden.
Der Haken an variablen Gehältern: In wirtschaftlich mauen Zeiten fällt es oft schwer, die an Bonus, Prämie et cetera geknüpften Leistungen voll zu erfüllen. Ergo fällt der Bonus magerer aus als in Top-Zeiten. Hilfreich kann es dann sein, Prämien zu vereinbaren, die sich stärker an der persönlichen Leistung orientieren als am Gesamtergebnis der Firma. So kann man sich trotz schlechter Unternehmenszahlen richtig reinhängen und für seinen Einsatz belohnt werden.
Leider neigt so manch geiziger Chef dazu, die Trauben so hoch zu hängen, dass es unmöglich ist, die volle Prämie zu bekommen. Hier sollte man – sofern machbar – frühzeitig gegensteuern und auf Ziele pochen, die mit ein bisschen Anstrengung (die darf der Chef schon verlangen) auch zu schaffen sind. Clever sind Teilziele: Wer zum Beispiel 50 Prozent der Anforderung geschafft hat, erhält 50 Prozent der Prämie etc. Um sich bei der Zielerfüllung nicht allzu sehr zu verzetteln, sollte man nicht mehr als etwa fünf Ziele mit dem Chef vereinbaren.
>>> Was kann ein Jobwechsel bringen?
In der Vergangenheit war es normal, dass man sich beim Jobwechsel auch finanziell deutlich verbesserte. Das ist spätestens seit der Wirtschaftskrise nicht immer und überall durchsetzbar. So hat in manchen Branchen wie etwa bei den Banken und im Fahrzeug- und Maschinenbau zwischenzeitlich mal eine mehr oder weniger große „Gehaltskorrektur“ bei den Neueinstellungen getobt, die die Unternehmen nun in unterschiedlichem Tempo aufholen. Falls jemand also in einer absoluten Hochphase mit einem Spitzengehalt in seinem alten Unternehmen eingestiegen ist, kann es möglich sein, dass er im neuen Job nicht oder nur schwer auf gleichem Niveau anknüpfen kann. Eine gute Vorrecherche zum aktuellen Gehaltsniveau in der angepeilten Branche ist da hilfreich. Derzeit sind manche Branchen auch so stark im Wandel begriffen – etwa durch technologische oder strukturelle Entwicklungen –, dass es nun vor allem von der Passgenauigkeit des Bewerbers abhängt, wie viel für eine neue Stelle drin ist.
Je spezialisierter die ausgeschriebene Stelle und je seltener und stimmiger der Bewerber, desto größer die Chancen auf das lange Ende der Wurst. Deshalb: Argumentieren Sie mit dem speziellen Mehrwert, den Sie durch Ihre einschlägige Berufserfahrung für genau diesen einen Job mitbringen!
Unterm Strich lässt sich aber feststellen, dass die Zeiten für eine finanzielle Verbesserung bei einem Jobwechsel derzeit deutlich besser stehen als noch vor ein, zwei Jahren. Gut ausgebildete Fach- und Führungskräfte sind fast überall wieder gefragt – und das schlägt sich natürlich auch in den Jobofferten nieder.
>>> Muss der Gehaltswunsch in die Bewerbung?
Fordert eine Stellenanzeige einen Gehaltswunsch, wäre es dumm, die Bitte zu ignorieren. Formulieren Sie kurz und bündig wie etwa „Ich möchte rund xy Euro verdienen“ oder „Mein Gehaltswunsch liegt bei etwa xy Euro, wobei ich diesen Betrag vom Aufgabenumfeld abhängig mache.“
Natürlich kann man sich auch über den Wunsch hinweg setzen, muss aber damit rechnen, dass das den Personaler verärgert und man sich rauskegelt, bevor es richtig losgeht. Ist man der heiß begehrte Kandidat schlechthin, wird der Personaler darüber hinweg sehen, aber in engen Jobmärkten macht man sich damit nur selbst das Leben schwer. Viele Personalabteilungen telefonieren bei interessanten Bewerbern dem noch offenen Gehaltswunsch nach. Ergo hat man durchs Weglassen nichts gewonnen, außer dass der Personaler mehr Arbeit hat. Überflüssig.
>>> Wann geht’s im Jobgespräch ums Gehalt?
Wurde bis zum Ende des ersten Treffens das Gehalt von Seiten des Unternehmens noch nicht angesprochen, bringen Sie es aufs Tapet, ohne es groß auszuwalzen oder gar eine Zahl in den Raum zu werfen. Ein neutrales „Ich nehme an, die vertraglichen Konditionen werden wir in unserem zweiten Termin besprechen“ reicht. Ziel des Ganzen ist lediglich, dem Personaler zu signalisieren, dass man dem Thema die nötige Wichtigkeit beimisst.
Richtig verhandelt wird in der Regel erst beim zweiten Termin. Bis dahin soll sich das Unternehmen erst mal so richtig in Sie verlieben und Sie unbedingt haben wollen. Das bessert Ihre Chance auf ein brauchbares Einstiegsgehalt.
>>> Was, wenn der Personaler nach dem Gehaltswunsch fragt?
Farbe bekennen und eine Summe nennen. Bevor Sie aber eine Zahl in den Ring werfen, sollten Sie sorgfältig recherchieren, wie die Branche zahlt, wie solch eine Position vergütet wird und wie es der Firma geht. Zapfen Sie möglichst viele Quellen an. Die Infos brauchen Sie auch, um ein Angebot der Firma einschätzen und Einwände des Personalers gegen Ihre Zahlen parieren zu können.
Wichtig: Wischiwaschi-Wünsche – „Irgendetwas zwischen 35.000 und 50.000 Euro“ – sowie klein kariertes Feilschen um den letzten Euro kommen ganz schlecht an.
>>> Darf ich schummeln, wenn der Personaler nach meinen früheren Gehalt fragt?
Mit einer hübsch hohen Hausnummer ins Gehaltsgespräch zu gehen, erleichtert einem natürlich das Pokern um ein interessantes Einstiegsgehalt. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass der Personaler es spitz kriegt, wenn man bei den früheren Bezügen ordentlich übertreibt. Die Unternehmen wissen in der Regel zumindest grob, was die Konkurrenz so zahlt. Und spätestens beim Jobantritt, wenn die Personalabteilung die Steuer- und Sozialversicherungsdaten erhält, werden allzu große Flunkereien auffallen. Lügen haben dann mitunter verdammt kurze Beine. Das macht keinen guten Eindruck während der Probezeit.
Zum Glück ist der Gehaltsbegriff aber ein bisschen dehnbar, denn neben Grundgehalt und Boni etc. werden oft ja auch noch Altersvorsorge, Vermögenswirksame Leistungen, Kindergartenbeiträge oder Tankgutscheine gezahlt. Solche Sachleistungen machen nach einer Studie der Personalberatung Aon Hewitt mittlerweile im Schnitt 14 Prozent der Gesamtvergütung bei Fachkräften aus. Im weitesten Sinne könnte man diesen Gegenwert mit gutem Gewissen auch noch einbeziehen, wenn der Personaler nach dem alten Gehalt fragt. Dann wäre man nicht kompromittiert, wenn später mal nachgefragt wird. Ergo: Ein bisschen hochstapeln funktioniert, aber man darf es nicht überreizen.
Alternativ kann man auch versuchen, – nett verpackt – die Aussage zu verweigern. Wer beispielsweise mit der neuen Stelle aufsteigen würde, die Branche oder die Unternehmensgröße wechselt, kann mit Fug und Recht argumentieren, dass die beiden Positionen nicht vergleichbar sind. Wer dagegen sein altes Gehalt angibt, sollte keinen Zweifel daran lassen, dass er sich mit der neuen Stelle natürlich auch finanziell verbessern möchte.
>>> Wie viel Verhandlungsspielraum haben Berufseinsteiger?
Die Verhandlungsposition eines Kandidaten bestimmt sich auch im Bewerbungsgespräch nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage: Wer mit seinem Spezialwissen auf eine ganz bestimmte Stelle wie angegossen passt, hat bessere Karten als ein durchschnittlich ausgebildeter Mitbewerber und kann bei seinem Einkommenswunsch ein bisschen kräftiger zulangen.
Grundsätzlich haben Unternehmen aber ziemlich genaue Vorstellungen, innerhalb welcher finanziellen Bandbreiten sie sich bei einer Position bewegen können, ohne sich ihr internes Gehaltsgefüge zu zerschießen. Doch ob grünes Licht schon am oberen Ende der Bandbreite gegeben wird oder der Bewerber billig eingekauft wird, hängt von dessen Passgenauigkeit ab. Und natürlich von seinem Geschick, seine Vorzüge entsprechend rüberzubringen.
Was bei Personalern zieht, sind Alleinstellungsmerkmale, Spezialistentum. Gute Noten, Praktika und Auslandserfahrung bringen mittlerweile viele Bewerber mit. Das entscheidende I-Tüpfelchen sind Themen und Know-how, mit denen das Unternehmen etwas anfangen kann. Wer „nur“ ein Durchschnittsstudium mitbringt, muss noch deutlicher an seinen I-Tüpfelchen feilen, wenn er ernsthaft ein Spitzengehalt fordern möchte.
Mit der Berufserfahrung wächst das Einkommen zügig. Verdient ein Ingenieur auf einem Sachbearbeiterposten laut einer aktuellen Erhebung der VDI-Nachrichten während der ersten beiden Jahre im Job im Schnitt 41.600 Euro, werden daraus in den Jahren drei bis fünf schon 45.400 Euro und sechs bis zehn Jahre Berufserfahrung werden mit 50.000 Euro honoriert.
>>> Gibt’s für ‘nen Doktortitel mehr?
Je nach dem, welche Studie man bemüht, liefern sich Diplom- und Master-Abschlüsse in Sachen Einstiegsgehalt regelmäßig ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Mal liegt der eine Abschluss leicht vorne, mal ein anderer. Die VDI-Nachrichten ermittelten beispielsweise für ein Uni- oder TH-Diplom 42.900 Euro und für den Master 300 Euro mehr. Mit einem FH-Diplom wurden einem im Schnitt 41.400 Euro geboten.
Nach wie vor leicht abgeschlagen sind die Bachelor-Absolventen: So erhob die Vergütungsplattform Personalmarkt für einen Master-Absolventen einen durchschnittlichen Einstieg mit 42.000 Euro, während der Bachelor-Kollege bei „nur“ 36.000 Euro landete.
In der VDI-Erhebung startete ein Ingenieur-Bachelor dagegen im Schnitt mit ordentlichen 40.000 Euro. Fairerweise muss man auch feststellen, dass Bachelor-Absolventen früher in den Beruf gehen und deshalb auch schon früher verdienen. Nach wie vor mehr Gehalt – einige Tausend im Jahr – gibt es für einen Doktortitel, sofern er im Job Vorteile bringt (Managementpositionen) und nicht ohnehin essenziell für den Beruf ist (Chemiker oder Ärzte). Personalmarkt hat für einen Dr. im Schnitt ein Jahresgehalt von 50.000 Euro ermittelt.
>>> Wie stark darf ich eigentlich pokern?
Um beim Zielgehalt herauszukommen, ist es normal, dass man zu Beginn noch ein Quäntchen drauflegt, um sich herunterhandeln zu lassen. Wer aber mehr als 20 Prozent über dem realistischen Wert ansetzt, kegelt sich aus dem Rennen. Und: In für ein Unternehmen schwierigen Zeiten empfiehlt sich exzessives Feilschen nur, wenn man auf die Stelle wie die Faust aufs Auge passt und das entsprechend rüberbringen kann. Eine Vorrecherche zur Lage der Firma ist also sehr sinnvoll.
Geht es dem Unternehmen blendend, dürfte man etwas entspannter verhandeln können. Aber: Ein gutes Gehalt rückt eine Firma nicht allein deshalb raus, weil die Auftragsbücher voll sind oder der „War of Talents“ immer stärker tobt. Dafür liegen die leidvollen Erfahrungen aus der Wirtschaftskrise noch nicht lange genug zurück. Ein Kandidat muss schon glaubhaft verkaufen können, dass er eine gute Investition ist. Deshalb: Wer anspruchsvolle Forderungen stellt – realistisch müssen sie so oder so sein –, braucht gute Argumente. Punkten können Sie mit Spezialkenntnissen oder -fähigkeiten, die für den diskutierten Job gebraucht werden: je passgenauer, desto wertvoller.
>>> Wie werden Azubis bezahlt?
In Deutschland wird das Gros der Azubis nach Tarifvertrag bezahlt. Ist ein Betrieb keinem Tarif angeschlossen, so orientiert sich das Unternehmen meist trotzdem an der für die Branche üblichen Ausbildungsvergütung. Lediglich in Nischenberufen werden Lehrlinge ohne diese Vorgaben bezahlt. Dumping ist da nicht ausgeschlossen.
Im Jahr 2011 stiegen die Lehrlingsgehälter in den meisten Wirtschaftszweigen um 2,9 Prozent im Westen und 4,9 Prozent im Osten an. Das ist ein deutlich stärkerer Anstieg als im Vorjahr, als es 1,3 beziehungsweise 2,9 Prozent mehr gab. Im Schnitt verdient ein westdeutscher Azubi im ersten Lehrjahr 633 Euro. Bis zum dritten Lehrjahr steigt das Gehalt auf durchschnittlich 785 Euro. Sein ostdeutscher Kollege verdient mit 571 beziehungsweise 706 Euro leicht weniger.
Die Spannen bei den Gehältern unterscheiden sich um mehrere Hundert Euro zwischen den einzelnen Branchen und Lehrberufen. Generell gilt: In Industrie und Handel wird besser bezahlt als im Handwerk oder in den freien Berufen. Während beispielsweise ein westdeutscher Industrie-Azubi über alle seine Lehrjahre auf einen Schnitt von 781 Euro monatlich kommt, beendet sein Handwerkskollege mit 198 Euro weniger seinen Monat. Dieser Unterschied fiel in den vergangenen Jahren auch schon mal geringer aus.
Lehrlinge, die wegen der weiten Entfernung des Ausbildungsbetriebs zu Hause ausziehen und eine eigene Bleibe suchen müssen, können Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) für die Dauer der Lehre erhalten. Wer volljährig oder verheiratet ist oder ein Kind hat, kann auch dann BAB beziehen, wenn er in der Nähe der Eltern eine eigene Wohnung hat. Infos und Anträge gibt es bei der Arbeitsagentur.
>>> Erhalten Praktikanten eine Bezahlung?
In der Regel ja, wie Jobguide seit Jahren immer wieder in Befragungen von Unternehmen feststellt. Auch ein Blick auf die aktuellen Firmenprofile in diesem Jobguide-Ratgeber bestätigt dies. Das Gros der Firmen zahlt einen kleinen Obolus.
Der Recruiting-Spezialist Alma Mater hat in einer aktuellen Studie dazu folgende Zahlen ermittelt: Die Hälfte der Praktikanten verdient zwischen 400 und 700 Euro. Der Durchschnitt liegt bei 535 Euro. Wer seine Abschlussarbeit im Unternehmen schreibt, wird ähnlich vergütet. Neben einer monatlichen Summe sind aber auch Abschlussprämien verbreitet: Wer mit seiner Arbeit eine gute Note erzielt, erhält bis zu 5.000 Euro als Anerkennung vom Unternehmen.
Tendenziell werden Praktika während eines Bachelor-Studiums leicht schlechter bezahlt als solche von Master-Studenten. Das erklärt sich schlicht damit, dass Studenten in höheren Semestern schon mehr Fachwissen einbringen können und mit den anspruchsvolleren Projekten betraut werden.
So schön eine hohe Vergütung fürs Studibudget auch ist, sollte man immer im Hinterkopf haben: Viel Geld bedeutet meist auch viel Arbeit – und wenig Spielraum zum Lernen. Nicht selten werden Praktikanten als Mitarbeiterersatz angeheuert. Sie sollen dann Arbeit wegschaffen und nicht viele kluge Fragen stellen. Hier muss jeder abwägen, wo er die Grenze ziehen will.
Einen großen Verhandlungsspielraum in Sachen Vergütung haben Praktikanten nicht, in der Regel folgen Arbeitgeber ihren hausinternen Vorgaben. Grundsätzlich gilt: Je größer der Laden, desto eher werden Praktikanten bezahlt und desto höher fällt das Salär aus. Und spezialisierte Praktika - zum Beispiel im Projektmanagement - machen sich fürs Renommee wie für den Geldbeutel besser bezahlt als unspezifische Stippvisiten à la Mädchen für alles.
Tipp: Wer an ein Unternehmen gerät, das gar nichts bezahlen will, kann versuchen, eine Bezahlung in Naturalien herauszuhandeln: Monatsticket, Essensgeld, Rabatte auf die Produkte, die das Unternehmen herstellt, Fachliteratur, Benzingutscheine. Viele nicht-monetäre Zuwendungen kann ein Unternehmen steuermindernd absetzen – was dem Chef die Sache vielleicht ein bisschen schmackhaft macht.
>>> Ich werde nach Tarif bezahlt. Kann ich trotzdem individuell um mehr Gehalt verhandeln?
Aber klar doch. Gerade in den ersten Berufsjahren, in denen noch viele als Fachkraft eingesetzt und per Tarif bezahlt werden, sind außertarifliche Zulagen nicht unüblich. Darüber hinaus geht es auch immer darum, in welche Tarifgruppe Sie mit ihren Qualifikationen und Erfahrungen einsortiert werden. Da besteht durchaus Verhandlungsspielraum. Später, wenn der Aufstieg ins Führungskräftelager erfolgt, wächst man meist aus dem Tarif raus und muss das Gehalt komplett selbst verhandeln.
>>> Wie hoch fallen Gehaltserhöhungen in der Regel aus?
Das kommt ganz darauf an. Zum einen natürlich auf die wirtschaftliche Lage des Unternehmens. Und zum anderen auf die eigene Position in der Firma. Gehaltserhöhungsrunden sind in den Unternehmen selbst in wirtschaftlich schwierigen Zeiten im Budget eingeplant – nur eben nicht für jeden Mitarbeiter in gleicher Höhe.
Nach dem Aufschwung der vergangenen ein, zwei Jahre sind viele Firmen momentan bereit, wieder tiefer in die Tasche zu greifen: So planen die Unternehmen laut einer Studie der Vergütungsberatung Kienbaum beispielsweise für 2012 eine Durchschnittserhöhung von 3,2 Prozent, wobei Spezialisten und Mitarbeiter im mittleren Management mit plus 3,5 Prozent überdurchschnittlich profitieren sollen, und Sachbearbeiterposten nur 2,9 Prozent mehr erhalten. Allein das zeigt schon: Trotz gefüllter Töpfe werden nicht alle Mitarbeiter das gleiche Plus aushandeln können. Das Spektrum reicht von Inflationsausgleich bis plus fünf, sechs Prozent.
Offen für Erhöhungen sind Unternehmen bei Leistungsträgern, die sie halten und besonders motivieren wollen. Wer bei der Analyse seiner eigenen Leistung und seiner Rolle im Unternehmen feststellt, dass er nur als kleines Licht durchgeht, sollte den Ball generell eher flach halten und höchstens um anderthalb, zwei Prozent verhandeln.
Und: Bevor es ab zum Chef geht, sollte man ein kritisches Auge auf den Zustand der Firma werfen. Die Wirtschaftskrise wie auch die Konjunkturerholung hat nicht alle gleich stark und zum gleichen Zeitpunkt getroffen. Manchen geht es wieder blendend, andere knapsen immer noch oder schon wieder, weil sich beispielsweise die Regeln für ihr Geschäft gerade elementar ändern. Dort, wo tatsächlich die Existenz eines Unternehmens auf dem Spiel steht, sollten Gehaltswünsche warten. Gespräche sollten dann nur in Angriff genommen werden, wenn man wirklich unschlagbare Gründe hat und als absolutes Top-Personal gilt.
>>> Wie oft darf ich nach einer Gehaltserhöhung fragen?
Suchen Sie das Gespräch mit dem Chef regelmäßig – Pi mal Daumen alle ein bis zwei Jahre – aber nur, wenn es tatsächlich etwas zu belohnen gibt. Wer nur Durchschnitt abliefert, hat keinen Nachschlag verdient.
Denken Sie daran: Gehaltsverhandlungen sollen nicht nur mehr Geld bringen, sondern dienen auch der Leistungskontrolle, der Positionsbestimmung und nicht zuletzt der Imagebildung.
Ulrike Heitze
Links
Detaillierter, individueller Gehaltscheck mit Potenzialanalyse (gegen Gebühr):
www.personalmarkt.de
Einkommensdaten für Ingenieure:
www.ingenieurkarriere.de
Einkommensdaten für Ingenieure und IT-Beschäftigte:
www.ig-metall.de
Aktuelle Tarifabschlüsse:
www.boeckler.de
Deutsche und internationale Gehälter:
www.lohnspiegel.de
Kostenfreie (grobe) Gehaltsdatenbank:
www.stimmt-mein-Gehalt.de