Branchenporträt Consulting & Wirtschaftsprüfung
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Auf den Spuren der Filmindustrie
In der Beraterbranche ergeben sich 2013 Jobchancen vor allem bei globalen Consulting-Factories und Spezial-Boutiquen. Nur wer international breit aufgestellt ist oder tiefstes Expertenwissen zu bieten hat, scheint noch gefragt zu sein. Experten glauben, dass die Beratungsindustrie der Filmindustrie in Zukunft immer ähnlicher wird. Verschiedene Beratungshäuser und Einzelberater kommen für bestimmte Projekte zusammen und gehen anschließend, wenn das Projekt abgeschlossen ist, wieder ihrer Wege.
2013 spucken die deutschen Unternehmensberater wieder kräftig in die Hände. Bei Commerzbank, Deutsche Telekom, Eon, Lufthansa und RWE ist der große Kehraus angesagt. Hundertschaften von Consultants sollen den Konzernen dabei helfen, durch großangelegte Kostensenkungs- und Restrukturierungsprogramme schlanker und effizienter zu werden. 2013 zieht es deutsche Maschinenbauer zudem verstärkt ins Ausland. Sie suchen den Rat international versierter Strategieberater, um ihre Geschäftsmodelle für den Konkurrenzkampf mit den Chinesen fit zu machen. Und auch die Banken und Versicherungen suchen weiter nach Ideen, wie sie trotz der anhaltenden Eurokrise und der Regulierung noch Geld verdienen können.
Der Veränderungsdruck in der Wirtschaft beschert der deutschen Consulting-Industrie seit mehr als einer Dekade florierende Geschäfte. Und ein Ende des Beraterbooms ist nicht abzusehen. 2012 setzte die Branche 22,3 Milliarden Euro um und damit fast doppelt soviel wie noch vor zehn Jahren. 2013 rechnet der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) mit einem Umsatzplus von knapp sieben Prozent – eine gute Nachricht für Hochschulabsolventen, Young Professionals, aber auch berufserfahrene Spezialisten, die auf der Suche nach einem Job in der Beraterbranche sind. Denn Wachstum bedeutet (fast) immer auch zusätzliche Jobs. 2012 arbeiteten nach Angaben des BDU in den knapp 15.000 Beratungsfirmen in Deutschland 95.150 Berater, darunter rund 17.000 Juniorberater. 2013 dürften es noch mehr werden: Vor allem die großen Unternehmensberatungen mit mehr als zehn Millionen Euro Umsatz planen laut einer BDU-Marktstudie ihre Personaldecke weiter aufzustocken. Rund Dreiviertel wollen zusätzlich erfahrene Berater einstellen, knapp Zweidrittel schaffen neue Jobs für Juniorberater. Auch mehr als die Hälfte (56 Prozent) der mittelgroßen Beratungen (ab einer Million Euro Umsatz) planen weitere berufserfahrene Berater anzuheuern, knapp die Hälfte (49 Prozent) will junge Nachwuchs-Consultants mit an Bord nehmen.
„Für viele Hochschulabsolventen ist der Karriereeinstieg in der Unternehmensberatung nach wie vor attraktiv“, urteilt Dietmar Fink, Professor für Unternehmensberatung an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. In kaum einer anderen Branche könnten Berufseinsteiger in kürzester Zeit so viele verschiedene Unternehmen kennenlernen und spannende Projekterfahrung sammeln wie im Consulting. „Und wer nach drei bis fünf Jahren als Unternehmensberater merkt, dass er die viele Reiserei leid ist und sich danach sehnt, auf die Unternehmensseite zu wechseln, für den ergibt sich häufig schon fast automatisch die Chance, bei einem Kundenunternehmen unterzukommen“, sagt Fink.
Die guten Wachstumsraten sollten Berufseinsteiger jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Geschäft der Unternehmensberater mit dem gängigen Klischee des eloquenten Überfliegers, der hilflosen Managern die Welt erklärt und dafür horrende Honorare abkassiert, so gut wie nichts mehr zu tun hat. Aufträge werden schon lange nicht mehr zwischen Vorstand und Senior-Berater auf dem Golfplatz ausgehandelt. Das Beratergeschäft ist weitgehend industrialisiert und der Berateralltag damit rauer geworden. „Industrieunternehmen wählen die Consultants in Einkaufsprozessen aus, wie bei der Beschaffung von Ersatzteilen. Im Management der Kundenfirmen sitzen Ex-Berater, die exakt wissen, was geht. Sie verlangen, dass Berater die erfolgreiche Umsetzung der vorgelegten Strategie begleiten, und messen deren Arbeit an der anschließenden Wertsteigerung. „Kein Erfolg, kein Geld“, beschreibt das Handelsblatt die veränderten Bedingungen, mit denen selbst die renommierten Strategieberateradressen wie McKinsey, Boston Consulting Group oder Bain zu kämpfen haben.
Der Preisdruck und die gestiegenen Anforderungen der Kunden an das fachliche Know-how und die Branchenexpertise der Berater sowie die Dichte des internationalen Netzwerks der Consultinghäuser haben den Konsolidierungsdruck in der Branche enorm erhöht. Seit 2012 dreht sich das Fusionskarussell immer schneller. Immer mehr mittelständische Beratungshäuser lassen sich von großen, weltweit vertretenen Unternehmensberatungen übernehmen. So schlüpfte beispielsweise die Düsseldorfer Beraterboutique Management Engineers unter das Dach der Strategieberatung Booz & Company, die Strategieberatung Monitor ging in Deloitte auf, die Einkaufsberatung Brainnet, die Vertriebsberatung TellSell und die Personalmanagementberatung Dr. Geke ließen sich von KPMG aufkaufen, der Lieferkettenspezialist J&M von Ernst & Young.
„Der Trend geht hin zu weniger, aber dafür größeren Anbietern, die sämtliche Fachgebiete abdecken und diese in allen Regionen der Welt anbieten“, urteilt Eva Manger-Wiemann, Partnerin des Metaconsulting-Unternehmens Cardea, das Unternehmen bei der Auswahl von Beratern begleitet. „Daneben werden sich nur Spezialisten behaupten können, die sich in einem ganz bestimmten Feld besonders gut auskennen.“
Die Nachfrage nach tiefem Fachwissen und Branchenexpertise hat auch die Personalpolitik der großen Strategieberatungen nachhaltig verändert. Die Zeit der Kinderkreuzzüge ist vorbei. Wenn McKinsey oder BCG 2013 jeweils 200 bis 230 Berater neu an Bord nehmen, so sind mindestens 20 bis 30 Prozent berufserfahrene Kandidaten dabei. „Die Unternehmen wollen keine Berater, die sie anlernen müssen. Es ist unsere Aufgabe, die Teams so zusammenzustellen, dass die Mischung stimmt und zum jeweiligen Projekt passt. Wenn eine Fragestellung besonders viele erfahrene Berater erfordert, dann sind die Kunden auch bereit, dafür einen Aufpreis zu zahlen. Andererseits haben jüngere Berater oft besonders gute Ideen“, beschreibt BCG-Weltchef Rich Lesser, die aktuellen Besetzungsanforderungen an sein Haus.
Der Trend zum global aufgestellten Alleskönner bedeutet aber noch lange nicht, dass eine große Karriere nur mit einem großen Firmennamen in der Vita möglich ist. „Wer im Mittelstand die Chance bekommt, Big-Picture-Erfahrung zu sammeln, kann am Ende immer noch besser dran sein, als der, der bei einer stolzen Arbeitgebermarke nur ein kleines Rädchen, dreht“, sagt Jörg Kasten, Partner der Personalberatung Boyden in Bad Homburg.
Fakt ist: Der Trend zur Spezialisierung zwingt Berufseinsteiger dazu, auch in den großen namhaften Strategieberatungshäusern, sich recht bald nach einer Phase der ersten Orientierung auf ein bestimmtes Feld zu fokussieren. Die Zeiten, in denen der Berufseinstieg über die Consulting-Branche als eine Art General Management-Ausbildung angesehen werden konnte, neigen sich dem Ende zu. Das Wachstum in der Strategieberatung ist begrenzt. Und so sind auch die Belegschaften von McKinsey und BCG bunter geworden. Auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern dringen die Anzugträger immer tiefer in die Gefilde der Prozess- und Organisationsberatung vor, über die sie einst nur die Nase rümpften. So gründete der Marktführer der Strategieberatung McKinsey vor kurzem ein Joint Venture mit Lufthansa Technik. Die Dienstleistungstochter der Kranich-Fluglinie repariert und wartet an 50 Standorten rund um den Globus Flugzeuge. Gemeinsam mit den gestandenen Technikexperten wollen die Meckies nun Anlagen-, Kraftwerks- und Windparkbetreibern, Rohstoffförderern und Öltmultis anbieten, sie in Sachen Wartung und Instandhaltung zu beraten.
„Der Druck der Klienten wird dafür sorgen, dass Berater den Mehrwert, den sie Unternehmen bieten, immer wieder neu erfinden müssen“, meint Fiona Czerniawska von dem britischen Marktforschungsinstitut Source for Consulting. Die Nachfrage nach hochspezialisiertem Know-how sei so groß, dass selbst die vermeintlichen Alleskönner der Beratungsbranche langfristig nicht daran vorbeikämen, externe Spezialisten in ihre Projekte zu integrieren. „In Zukunft dürfte die Beratungsindustrie der Filmindustrie immer ähnlicher werden. Verschiedene Beratungshäuser und Einzelberater kommen für ganz bestimmte Projekte zusammen und gehen anschließend, sobald das Projekt abgeschlossen ist, wieder ihrer Wege“, prognostiziert Czerniawska.
Auch die Wirtschaftsprüfer hierzulande müssen sich 2013 keine großen Gedanken über ihre Jobperspektiven machen. Die Nachfrage nach Wirtschaftsprüfern wie nach Steuerberatern steige weiter, heißt es bei der Bundesagentur für Arbeit. Auch wenn die Wirtschaftsprüferbranche seit geraumer Zeit über Preisdruck bei der gesetzlichen Prüfung von Jahresabschlüssen klagt, fahren vor allem die großen und mittelgroßen Prüfungsgesellschaften einen konsequenten Expansionskurs, bauen ihre Unternehmensberatungs- und Rechtsberatungssparten wieder aus und bieten neben Wirtschafts- und Steuerberatung auch Consulting-Dienstleistungen an. Überdies hat die Banken- und Staatsschuldenkrise dazu geführt, dass die Finanzdienstleister ebenso wie die Industrie noch strengere Regularien des Gesetzgebers erfüllen und transparenter werden müssen, was ihre Risiken anbelangt. Und drittens steht der WP-Branche ein Generationswechsel bevor, was für Neueinsteiger wie Jobwechsler gute Jobchancen verspricht.
Die größten Arbeitgeber der Branche sind die Weltmarktführer PricewaterhouseCoopers (PwC), KPMG, Ernst & Young und Deloitte. Sie haben für 2013 angekündigt, jeweils zwischen 1.000 und 1.500 Hochschulabsolventen zu rekrutieren. Da die „Big Four“ als die unangefochtenen Top-Jobadressen gelten und durch die Bank erhebliche Summen in die Aus- und Weiterbildung ihres Nachwuchses investieren, sind sie bei Nachwuchskräften aus den Wirtschaftswissenschaften, der Juristerei und dem Wirtschaftsingenieurwesen entsprechend beliebt.
„Im Schnitt erhalten wir im Jahr 40.000 Bewerbungen und stellen davon nur die besten Talente ein. Die talentiertesten Leistungsträger erhalten die Chance, in der Hierarchie als Partner aufzusteigen. Viele nutzen jedoch die Möglichkeit, nach ein paar Jahren auf die Kundenseite zu wechseln und steigen dann zum Beispiel als kaufmännischer Leiter bei einem Unternehmen ein“, sagt Georg Graf Waldersee, Deutschlandchef von Ernst & Young. Entsprechend hoch ist die Fluktuationsrate bei den Big Four.
Nicht zuletzt, weil die EU angekündigt hat, die Übermacht der Big Four zu brechen, ist der Mittelstand in der Wirtschaftsprüferbranche im Aufwind. Hier hat es in den vergangenen Jahren einige Fusionen und Übernahmen gegeben und so wird der Einstieg bei einer der mittelgroßen Gesellschaften wie BDO, Rödl & Partner oder Ebner Stolz Mönning Bachem immer attraktiver. „Sie investieren in die eigene Internationalisierung und bieten Quereinsteigern wie Nachwuchskräften attraktive Aufstiegschancen“, weiß Hellmuth Wolf, Partner der Executive Search-Beratung Signium International. Und wie bei den vier Branchengiganten sei es inzwischen auch bei etlichen mittelständischen Sozietäten üblich geworden, ganze Spezialistenteams von Wettbewerbern abzuwerben.
Das gilt umso mehr, als die Wirtschaftsprüferlandschaft in ganz Europa ohnehin schon unter Beschuss geraten ist. Vor zwei Jahren legte EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier seine Gesetzespläne für die Neuordnung der Abschlussprüferszene vor. Der Franzose war fest entschlossen, die Vormachtstellung der Big Four zu brechen und sie künftig dazu zu zwingen, ihr Prüfungs- und Beratungsgeschäft strikt voneinander zu trennen. Doch nichts wird so heiß gegessen wie es gekocht wird. In der Zwischenzeit hat die mächtige Lobby der Big Four Barniers Pläne weitgehend aufgeweicht und das Gesetz muss sowieso erst noch vom EU-Parlament und dem EU-Ministerrat durchgewunken werden. Ein oder zwei Jahre könnten noch ins Land gehen, bis endgültig klar ist, wie die neue Welt der Prüfer und Berater in Europa aussehen soll.
Julia Leendertse
Newsletter JobguideXpress Consulting,
Wirtschaftsprüfung & SCM
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