Recruiting-Strategien der Großunternehmen
- Prof. Dr. Wolfgang Jäger
Die Kanäle, über die Recruiter Bewerber ansprechen und Bewerber sich an Recruiter wenden, unterliegen Moden und technischen wie gesellschaftlichen Veränderungen. Was in den vergangenen zehn Jahren funktioniert hat und was nicht, lässt Wolfgang Jäger Revue passieren im Gespräch mit Annette Eicker. Und er gibt ein paar wertvolle Tipps für Bewerber.
In mancher Hinsicht war die Welt des Recuitings noch eine andere, als im Jahr 2001 der geistige Vater von JobStairs, Professor Wolfgang Jäger, von den ersten 17 Mitgliedsunternehmen beauftragt wurde, als Generalunternehmer die Idee einer gemeinsamen Jobbörse umzusetzen. Mehr als heute wurden damals noch Stellenanzeigen in Zeitungen genutzt, um Absolventen oder Fach- und Führungskräfte anzusprechen. "Der dominierende Kanal, über den große Arbeitgeber nach Leuten suchten, waren aber bereits die Stellenbörsen im Internet", erinnert sich Jäger.
In den Hochzeiten der New Economy und des Börsenrauschs hatten diese Jobbörsen bereits einen lauten und teuren Kampf um die Frage ausgetragen: "Wer ist die Größte im ganzen Land?" Getrieben von der Annahme, dass letztlich zwei, drei große Börsen überleben würden, gab es ein mediales Wettrüsten und viele größere Übernahmen.
Doch dann zeigte sich, dass der Markt sich nicht nach dem Prinzip "The winner takes it all" einpendelte, sondern neben den Massenverarbeitern Monster, Stepstone & Co. auch viele spezialisierte Nischenanbieter reüssierten: Jobbörsen mit regionalem Ansatz wie Meinestadt.de, Jobbörsen für bestimmte Qualifikations- und Berufsgruppen wie Jobvector.de oder Hotelcareer.de, für einzelne Funktionen wie Salesjob.de sowie für Praktikanten, für Azubis, für über 50jährige, für Akademiker und eben für große Arbeitgeber - nämlich JobStairs.
Allmählich entstanden auch immer mehr Bewerberdatenbanken, in die Kandidaten ihre Lebensläufe eingaben, um von Personalern gefunden zu werden. "Aber viel und gern genutzt", weiß Jäger, "wurde das von den Unternehmen damals wie heute nicht", denn es dreht den Bewerbungsprozess um, bringt den Personaler in die Rolle des Bewerbers und das ist ihm unlieb. Außerdem Bedarf es einer Menge personeller Kapazität, die in den Personalabteilungen immer weniger vorhanden ist.
Ab 2005/2006 kamen dann die Sozialen Netzwerke auf den Plan und in Deutschland trat Xing - damals noch Open BC - in das Bewusstsein der Recruiter. "Personaler sind sehr experimentierfreudig und probieren gerne mal alles aus, aber Begeisterung, in den Sozialen Netzwerken aktiv Recruiting zu machen, ist bisher nicht entstanden", stellt der Wissenschaftler fest. Seit zwei bis drei Jahren beobachtet er, dass die "Evangelisten" unter den Personalern bei Twitter, Facebook und Co. ganz vorne mitmischen, aber selbst aus dem Kreis der JobStairs-Unternehmen sei nur etwa ein Drittel wirklich aktiv in den Netzwerken.
Unternehmen wie Bertelsmann und Audi, wo eine große Truppe von Mitarbeitern weltweit in Sozialen Netzwerken mit Kandidaten in Kontakt tritt und dort auch rekrutiert, würden wahrscheinlich Ausnahmen bleiben: "Das ähnelt dem Searchen in Bewerber-Datenbanken und ist sehr personalintensiv. Daher bezweifle ich, dass es auf Dauer viele machen werden."
Für das Personalmarketing im Laufe der Jahre immer wichtiger geworden sind Aktivitäten direkt vor Ort an den Hochschulen und auf Recruiting-Messen: "Da will man dabei sein und da geht auch ein erheblicher Teil der Personalmarketing-Budgets hinein", stellt Jäger fest. Problematisch seien allerdings bei den Unternehmen die mangelnde Erfolgskontrolle dieser Hochschul- und Messe-Aktivitäten und bei den Studierenden und Bewerbern die zunehmende Reizüberflutung: "Viele Studierende pflegen inzwischen lieber am heimischen PC anonyme Kommunikation als auf eine Messe zu gehen und sich im persönlichen Gespräch mit einem Personaler einen Eindruck von einem Arbeitgeber zu verschaffen."
Trotz aller neuen Wege, die von Arbeitgebern getestet und beschritten werden, steht für Jäger fest: Jobbörsen sind auch heute noch der absolut dominante Weg der Bewerberansprache.
Bei den Bewerbern sieht der Professor das Bedürfnis nach individualisierter 1:1-Kommunikation mit Vertretern der Arbeitgeber von Jahr zu Jahr um zehn Prozent wachsen. Das habe mit der Verbreitung der sozialen Netzwerke enorm zugenommen und sei für die Unternehmen eine riesige Herausforderung, weil es enorme personelle Ressourcen beanspruche: "Darauf sind die Arbeitgeber nicht eingestellt." Auch die Recruiting Center, die viele Unternehmen eingerichtet hätten, seien keine Lösung, denn den Bewerbern missfalle es, in einem Call Center anrufen zu müssen.
eBook Jobstairs
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