Karriere in MINT

Raphael Troll, Foto: Raphael Troll / Reply

Karriere in MINT

Eigentlich suchte Raphael Troll einen spannenden Job – jetzt hat er ein nagelneues Auto. Seit April 2012 ist der 23-jährige Nachwuchsingenieur stolzer Besitzer eines schicken Minis. Den Kleinwagen im Wert von 20.000 Euro hat er bei einer Verlosung des IT-Dienstleisters Reply gewonnen. Alles, was Mini-Fans dafür tun mussten, war ein Fach mit IT-Bezug wie Mathe, Informatik oder eine Ingenieurwissenschaft studieren und sich bis Ende Februar online bei dem mittelständischen IT-Unternehmen in Gütersloh bewerben.

Mit ausgefallenen Aktionen wie der Auto-Lotterie konkurrieren Unternehmen wie Reply auf dem Arbeitsmarkt um eine begehrte Spezies: Absolventen der sogenannten MINT-Fächer, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik beziehungsweise Ingenieurwissenschaften. Sie gelten bei deutschen Recruitingverantwortlichen inzwischen als heiße Ware. Allein in den letzten zehn Jahren ist die Zahl der MINT-Akademiker in deutschen Unternehmen um rund 500.000 auf 2,2 Millionen gestiegen. Selbst im Krisenjahr 2009 wurden über 61.000 Stellen mehr als im Vorjahr ausgeschrieben.

Und der Bedarf ist noch lange nicht gedeckt. Ganz im Gegenteil: Im März 2012 fehlten auf dem deutschen Arbeitsmarkt über 205.000 MINT-Fachkräfte. Allein bei den Ingenieuren waren 110.000 offene Stellen zu besetzen, zeigt der Ingenieurmonitor, den der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) regelmäßig gemeinsam mit dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) erhebt: "Das ist der höchste Wert seit Beginn der Erhebung im August 2000", sagte VDI-Direktor Willi Fuchs Ende April 2012 auf der Hannover Messe.

Vordenker für den Fortschritt gesucht

In den nächsten Jahren wird sich der Mangel an Technikprofis sogar noch weiter verschärfen. Denn Produkte und Dienstleistungen "Made in Germany" werden immer wissens- und forschungsintensiver. Das gilt nicht nur für die deutschen Exportschlager – Autos und Maschinen —, sondern auch für Antriebe und Werkstoffe, IT- und Logistikkonzepte, Energieversorgung und Umweltschutz.

Um technologisch weiter zu den Spitzenreitern zu zählen und international trotz hoher Löhne und knapper Rohstoffe wettbewerbsfähig zu bleiben, brauchen deutsche Unternehmen also immer mehr technisch oder naturwissenschaftlich ausgebildete, innovative Köpfe. Diesen sogenannten Expansionsbedarf, der sich aus der weiter fortschreitenden Technisierung ergibt, beziffert das IW Köln im Schnitt auf fast 62.000 zusätzliche MINT-Fachkräfte pro Jahr.

Zudem kämpfen die Betriebe zunehmend gegen den demografischen Wandel: „In keinem anderen Land Europas gibt es so viele ältere Ingenieure wie in Deutschland“, sagt Willi Fuchs. Nach Angaben des VDI ist hierzulande bereits mehr als jeder fünfte erwerbstätige Ingenieur über 55 Jahre alt. Konsequenz: Um die altersbedingt ausscheidenden Fachkräfte zu ersetzen, müssen deutsche Unternehmen schon bald weitere 53.000 MINT-Akademiker pro Jahr neu einstellen. Aktuell liegt der jährliche Ersatzbedarf bei gut 42.000 Nachwuchskräften. Insgesamt ergibt sich  daraus ein Einstellungsbedarf der deutschen Wirtschaft von über 115.000 MINTlern pro Jahr — Tendenz steigend!

Geeigneten Nachwuchs zu finden, wird für Arbeitgeber also zunehmend zur Herausforderung. Das gilt vor allem für Mittelständler ohne glanzvollen Markennamen und an eher provinziellen Standorten. "Der Markt wird enger", bestätigt Alexandra Horst, Personalleiterin bei Reply.

Der italienische IT-Dienstleister beschäftigt europaweit 3.400 Mitarbeiter. Mit 600 Mitarbeitern zählt die deutsche Tochter immerhin zu den 25 größten IT-Beratungen in Deutschland. Bei deutschen Absolventen und Berufseinsteigern ist das Unternehmen jedoch bislang kaum bekannt und so hat Alexandra Horst Mühe, die vielen offenen Stellen zu besetzen. 150 IT-Profis möchte sie allein 2012 an Bord holen, fast doppelt so viele wie im Vorjahr.

Mit innovativen Personalmarketingmaßnahmen will das Unternehmen künftig sein Image als innovativer Arbeitgeber stärken und Bewerber auf sich aufmerksam machen. So präsentiert sich Reply bei der Jobbörse "Students on Snow" im Schweizer Ski-Ort Savognin oder lädt interessierte Bewerber zum ADAC-Fahrsicherheitstraining. Die diesjährige Mini-Verlosung wertet Alexandra Horst als vollen Erfolg: "Die Bewerberzahlen sind durch die Aktion um 30 Prozent gestiegen, die Zahl der Einstellungen um 20 Prozent," sagt die Personalleiterin. Nicht nur Absolventen wie Raphael Troll, sondern auch Berufserfahrene wurden so auf Reply aufmerksam.

Here we are now, recruitain us.

Mit seinen Aktionen liegt der IT-Dienstleister im Trend. Nicht nur große Unternehmensberatungen wie BCG oder McKinsey laden Studenten und Absolventen zu Kennenlern-Workshops auf der Skipiste oder in eine historische Burg; gerade in den vom Fachkräftemangel geplagten technischen Branchen setzen zunehmend auch weniger renommierte Unternehmen auf Recrui­tingaktionen mit Spaßfaktor — das sogenannte "Recruitainment".

So entwickelt die Berliner Agentur Young Targets derzeit ein "IT-Krimidinner" für Bewerber. Die ersten Kunden aus der IT-Branche wollen demnächst klassische Vorstellungsgespräche und Einstellungstests damit ergänzen. Das Konzept: Beim Drei-Gänge-Menü lösen die Jobkandidaten einen fiktiven Mord. Neben Tischmanieren und sozialen Kompetenzen stellen sie dabei ihre analytischen Fähigkeiten und ihr Fachwissen unter Beweis, denn die Hinweise auf den Täter verstecken sich in fehlerhaften Dateien.
Auch für den Internet- und Telekommunikationsdienstleister 1 & 1 hat Young Targets schon ein Geocaching organisiert, um potenzielle Bewerber zu locken. Anhand der geografischen Koordinaten mussten die Teilnehmer per GPS-Gerät versteckte "Schatzkisten" finden. Darin verbargen sich knifflige IT-Quizfragen. Die Lösungen konnten per E-Mail ans Unternehmen geschickt werden. Die erfolgreichsten Schatzsucher lud die Personalabteilung anschließend zu einer Party mit dem Vorstand ein.

Anstelle eines spaßfreien Bewerbungsmarathons haben künftige MINT-Absolventen also beste Chancen, von potenziellen Arbeitgebern umgarnt  und umworben zu werden. Denn trotz der glänzenden Berufsaussichten bilden sich nach wie vor keine allzu langen Schlangen vor den Immatrikulationsbüros der Technischen Fakultäten. Zwar ist die Zahl der Absolventen mit einem Erstabschluss als Ingenieur in den letzten Jahren gestiegen, und zwar von 34.000 im Jahr 2005 auf rund 50.000 im Jahr 2010.

Auch die Zahl der Studienanfänger entwickelte sich zuletzt positiv. Doch das liegt vor allem daran, dass insgesamt mehr junge Leute studieren als noch vor zwei Jahren. Diese Sondereffekte durch doppelte Abiturjahrgänge und den Wegfall der Wehrpflicht wachsen sich aber schon bald wieder aus. Gegen Ende des Jahrzehnts dürften die Absolventenzahlen wieder sinken und der Fachkräfteengpass erneut zunehmen, warnt das IW Köln. Um die Wirtschaft mit ausreichend Ingenieuren zu versorgen, wären jährlich rund 80.000 Absolventen erforderlich, ein Wert, von dem Deutschland nach wie vor weit entfernt sei.

Seit einigen Jahren rühren Wirtschaft, Politik und Hochschulen deshalb gemeinsam die Werbetrommel: Mit der unternehmensübergreifenden, bundesweiten Initiative "MINT Zukunft schaffen" wollen deutsche Unternehmen und Verbände gemeinsam mehr Nachwuchs für die MINT-Fächer begeistern. Dazu setzen sie bereits in Kindergärten und Schulen an, beispielsweise mit Schülerwettbewerben, Labortagen, Experimentierkoffern für den Unterricht, Messe­­-Events und Weiterbildungskursen für Lehrer und Erzieher. Eines der wichtigsten Anliegen vieler Initiative lautet, mehr Mädchen für eine naturwissenschaftliche oder technische Laufbahn zu begeistern. Denn an den Gymnasien stellen die Mädels zwar mittlerweile die Mehrheit, doch nach wie vor entscheiden sich nur wenige nach dem Abitur für Studienfächer wie Mathe, Physik oder Ingenieurwissenschaften.

Nicht ohne Grund hängen Maschinenbauer, Physiker oder Informatiker Einladungen zu ihren Semesterpartys vorzugsweise an der pädagogischen Fakultät oder bei den Geistes- und Sozial­wissenschaftlern aus. Dort studieren nämlich fast nur Mädchen. An den meisten MINT-Lehrstühlen liegt der Anteil der Studentinnen dagegen gerade mal bei zehn bis 20 Prozent.

Damit sich die Mädchen im Hörsaal nicht wie Exoten fühlen, haben eine Handvoll Hochschulen in den letzten Jahren Technische Studiengänge exklusiv für Frauen eingerichtet, darunter die Fachhochschulen in Furt­wangen, Stralsund und Wilhelmshaven, ebenso wie die Hochschule Bremen.

Jungen Frauen fehle es in ihrem Umfeld zudem oft an geeigneten Vorbildern, weiß Ulrike Struwe vom Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit in Bielefeld: Mutter, Schwestern, Freundinnen oder auch die Kinderärztin oder die Lehrerin beeinflussen die Berufswahl – aber eben nur selten in eine technische Richtung. Technische Berufe werden mit Computern oder Maschinen assoziiert und gelten damit als Domäne für technik-begeisterte Jungs.

Um zu zeigen, wie vielfältig moderne MINT-Berufe sein können und dass man es dabei nicht nur mit klobigen Maschinen sondern auch mit interessanten Menschen zu tun hat, vermittelt der VDI gemeinsam mit weiteren Partnern inzwischen "Mint Role Models" an Schulen und Hochschulen. Dort erzählen die erfolgreichen Ingenieurinnen, Mathematikerinnen, Werkstoff-Spezialistinnen oder IT-Expertinnen dem weiblichen Nachwuchs von ihren spannenden Jobs.

40 Prozent halten MINT-Studium nicht durch

Ob es nun am Mädchenmangel liegt oder am trocken vermittelten Lehrstoff — überproportional viele MINT-Studenten geben vorzeitig auf: 40 Prozent aller Uni-Neulinge, die sich für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften oder eine Ingenieur-Fachrichtung einschreiben, schaffen es nicht bis zum angestrebten Abschluss. Zum Vergleich: Unter den angehenden BWLern, Juristen, Sozial- oder Geisteswissenschaftlern bricht nur jeder vierte sein Studium ab.

Die hohe Abbruch- und Wechselquote zu reduzieren, beispielsweise durch Coaching und Mentoren-Programme, stärkeren Praxisbezug und aktuelle, jobrelevante Inhalte in der Ausbildung, ist deshalb eine weitere wichtige Stellschraube zahlreicher MINT-Initiativen. Der Stifterverband für die deutsche Wissenschaft schätzt, dass allein durch eine Halbierung der Abbrecherquote der prognostizierte Fachkräftemangel nahezu ausgeglichen werden könnte.

Die Stadt Aachen hat dazu 2011 ein interessantes Modellprojekt ins Leben gerufen. Studien­abbrecher aus der Informatik können bei 30 Partner-Unternehmen in der Region eine auf 18 Monate verkürzte Berufsausbildung zum Fachinformatiker absolvieren. Der erste Ausbildungsjahrgang ist im August 2011 gestartet. Längst nicht alle interessierten Unternehmen haben einen der 18 Azubis abbekommen, Bewerber aus dem gesamten Bundesgebiet sind deshalb 2012 in Aachen willkommen.

MINT-Förderung hin oder her: Ein guter Grund zum Durchhalten für angehende Ingenieure und IT-Profis ist das künftige Gehalt. Im Vergleich zu anderen Akademikern verdienen MINT-Absolventen überdurchschnittlich — und das mit steigender Tendenz, wie das IW im aktuellen MINT-Trendreport berechnet: Lag ihr Vorsprung in der Vergütung im Jahr 2000 noch bei 15 Prozent, kletterte er bis 2009 schon auf rund 25 Prozent über andere akademische Berufe.

Wer durchhält, wird von Arbeitgebern hofiert

Eine weitere Motivationshilfe zum Durchhalten im Studium sind die guten Jobaussichten. Wer es schafft, bis zum Bachelor- oder Master­titel durchzuhalten, wird von vielen Arbeitgebern geradezu hofiert: "Der Markt sieht derzeit so aus, dass wir uns um die Mitarbeiter bewerben, nicht umgekehrt", sagt beispielsweise Oliver Tuszik, Deutschland-Chef des europäischen IT-Dienstleisters Computacenter.

Das Unternehmen aus Kerpen beschäftigt rund 4.000 Mitarbeiter ­— und braucht mehr: Im April 2012 waren auf der Website über 220 offene Stellen ausgeschrieben, davon fast 40 für Berufseinsteiger. Um diese dringend benötigten Nachwuchskräfte und Experten konkurriert der IT-Dienstleister aber mit Markenkonzernen wie Microsoft, Apple oder Google, und auch mit renommierten Technologieberatungen: Denn auch Accenture, Avanade — ein Gemeinschaftsunternehmen von Microsoft und Accenture — oder Lufthansa Systems stellen jährlich ganze Hundertschaften von IT-Beratern ein. In Arbeitgeber-Rankings landen die Großen klar vorne.

Um sich interessante MINT-Bewerber zu sichern, schickt Computacenter zum Beispiel Berater und Projektmanager an ausgewählte Universitäten und bietet Studierenden dort praxisnahe Workshops an. Wer bei dem IT-Dienstleister seine Abschlussarbeit schreiben oder als Praktikant oder Werkstudent arbeiten möchte, kann zudem Stipendien, Trainings und Büchergutscheine gewinnen oder das Top-Management in exklusiven Gesprächsrunden mal persönlich kennenlernen.

Mit 858.000 Beschäftigten ist die IT-Industrie inzwischen die zweitgrößte deutsche Branche nach dem Maschinenbau — und besonders massiv vom Fachkräftemangel betroffen. Zwei von drei IT-Unternehmen planen laut einer Umfrage des Branchenverbandes Bitkom (Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien), im laufenden Jahr neue Mitarbeiter einzustellen — fast ebenso viele, nämlich 63 Prozent, klagten im Frühjahr 2012 über zu wenige Bewerber.

Aber auch in der Elektroindustrie, im Fahrzeug- und Maschinenbau sowie in der Energiewirtschaft sitzen MINT-Absolventen bei der Jobsuche definitiv an einem sehr langen Hebel. So hat eine Umfrage des Verbands der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE) unter 4.000 jungen Elektroingenieuren ergeben, dass 80 Prozent von ihnen keine zehn Bewerbungen schreiben mussten, um einen attraktiven Job zu finden. Mehr als drei Vorstellungsgespräche hat nur jeder Dritte führen müssen. Und bei Vertragsabschluss hatte die Hälfte eine weitere Zusage in der Tasche, ein knappes Drittel konnte sogar unter drei Job-Angeboten auswählen.

Elektrotechniker sind besonders begehrt

Kein Wunder, denn quer durch alle Branchen gehören die Elektroingenieure zu den meistgesuchten Fachrichtungen. Nicht nur elektrische Geräte, sondern auch moderne Autos und Maschinen, Bürogebäude und Fabriken, Kraftwerke und OPs stecken heute voller Elektronik. Um mehr als 60 Prozent schnellten 2011 die Stellenangebote für Elektrotechniker in regionalen und überregionalen Tageszeitungen und den zehn größten Online-Stellenbörsen nach oben, wie die Auswertung zeigt, die der Arbeitsmarkt-Forschungsdienst S+H Medienstatistik für Jobguide Engineering vorgenommen hat.
Eine Umfrage des Branchenverbands VDE im Frühjahr 2012 ergab, dass vor allem für den Bereich Planung und Projektierung Ingenieure der Elektro- und Informationstechnik gesucht werden. Vier von fünf Unternehmen melden hier Bedarf. Auch im Bereich Forschung und Entwicklung sowie IT/Software und Dienstleistung wollen weit über die Hälfte der Unternehmen einstellen. Gute Chancen bieten sich aber auch in Vertrieb und Marketing, wo fast jedes dritte Unternehmen Fachkräftemangel verspürt.

Dazu kommen noch die Angebote für Spezialrichtungen der Elektrotechnik, etwa die Energie-, Klima- und Umwelttechnik. Auch für diese Positionen sind Elektroingenieure in der Praxis oft hochwillkommen, vorausgesetzt, sie verfügen über relevante praktische Erfahrung und passende Studienschwerpunkte. Durch die Umstellung auf das zweistufige Bachelor-Master-System bieten sich mittlerweile Masterstudenten vielfältige Spezialisierungsmöglichkeiten. Auch das Angebot an berufsbegleitenden Weiterbildungsstudiengängen steigt.

Viel mehr Stellen für Bauingenieure

Deutlich angezogen hat seit dem Krisenjahr  2008 auch wieder die Nachfrage nach Bauingenieuren. Nicht nur die energetische Sanierung von Wohn- und Bürogebäuden, Produktionsanlagen oder öffentlichen Bauten beschert Architekten und Ingenieurbüros inzwischen wieder volle Auftragsbücher. Auch der zuverlässige Schutz vor Naturkatastrophen wie Erdbeben oder Flutwellen ist spätestens seit Fukushima weltweit ein hochaktuelles Thema.

Große Baudienstleister wie Bilfinger Berger, mit 8,1 Milliarden Euro Umsatz und 58.000 Mitarbeitern einer der zehn größten Baukonzerne in Europa, versprechen sich zudem neue Geschäftschancen durch den beschlossenen Atom­ausstieg. Gehen die deutschen Atommeiler vom Netz, müssten konventionelle Gas- und Kohlekraftwerke in erheblichem Umfang renoviert und ausgebaut werden. Und auch für den politisch gewollten Ausbau der Erneuerbaren Energien sind in den kommenden Jahren weltweit Bau­investitionen in Windparks, Solar- und Biomassekraftwerke sowie Hochspannungsleitungen im großen Stil erforderlich. Last but not least werden sich Bauingenieure zunehmend um die Entsorgung von Altlasten und Abfällen sowie um den Umweltschutz kümmern müssen.

Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie beziffert den Bedarf an Nachwuchs-Ingenieuren jährlich auf rund 4.500 Köpfe. Bereits seit 2005 liegt die Zahl der Hochschulabsolventen im Fach Bauingenieurwesen deutlich unter diesem Wert. Um Nachwuchskräfte von den vielfältigen Jobchancen zu überzeugen und zu einer Karriere im Bau zu motivieren, hat der Verband drei junge Ingenieure durch ihren Arbeitstag begleitet und die Videos ins Netz gestellt (www.schaffen-was-bleibt.de).

Auch der deutsche Anlagen- und Maschinenbau, also die klassischen Betätigungsfelder für Maschinenbau-Ingenieure, hat nach zwei Jahren kräftigen Aufschwungs bereits fast wieder das hohe Niveau des Rekordjahres 2008 erreicht. Trotz schwelender Eurokrise stieg die Zahl der Beschäftigten 2011 um 35.000 auf den neuen Rekordwert von 950.000. Ein Großteil der Offerten galt qualifizierten MINT-Fachkräften. Traditionell ist die MINT-Quote im Anlagen- und Maschinenbau hoch: Fast 13 Prozent aller Erwerbstätigen haben einen Hochschulabschluss in einem MINT-Fach.

Jobchancen bei den Hidden Champignons

Für 2012 erwartet Verbandschef Thomas Lindner zwar nur ein moderates Beschäftigungswachstum, für Ingenieure und Facharbeiter gebe es aber nach wie vor viele offene Stellen. Insbesondere im Mittelstand habe der Fachkräftemangel teils schon gravierende Ausmaße angenommen. Dabei gibt es gerade hier die meisten Jobs. Gerade einmal fünf Prozent aller Unternehmen haben nach der Branchenstatistik mehr als 500 Mitarbeiter, jeder zweite Beschäftigte im Anlagen- und Maschinenbau arbeitet bei einem Unternehmen mit weniger als 500 Kollegen.

Wer nicht gerade einen glanzvollen Markennamen wie Siemens, Bosch, Porsche oder BMW bieten kann, hat es als Mittelständler schwer, mit gedruckten Offerten interessante Bewerbungen zu generieren. Und auch Firmenadressen wie Büdelsdorf oder Harsewinkel besitzen leider längst nicht die gleiche Zugkraft wie Berlin oder Hamburg. Viele Unternehmen schreiben offene Stellen schon gar nicht mehr aus. Statt auf klassische Personalanzeigen setzen Mittelständler bevorzugt auf gute Kontakte zu regionalen Hochschulen, auf persönliche Empfehlungen, die eigene Website oder auch auf Business-Netzwerke wie Xing.

Sich bei einem der vielen Hidden Champions zu bewerben, bringt dabei für MINT-Akademiker durchaus Vorteile mit sich. Zum einen können Einsteiger mit Bereitschaft zur Übernahme von Führungs- oder Projektverantwortung hier viel schneller voran kommen und ganzheitliche Einblicke in Geschäftsprozesse erlangen.

Zum anderen kommt es gerade in kleinen und mittleren Betrieben viel stärker auf jeden Einzelnen an als in einem großen Konzern mit lauter Spezialisten: "Die Leute spüren, dass kleine Familienunternehmen mehr Sicherheit bieten. Dort ist man mehr als nur eine Personalnummer", sagt VDMA-Präsident Thomas Lindner. Als Geschäftsführer des mittelständischen Textilmaschinenherstellers Groz-Beckert mit Sitz im schwäbischen Albstadt weiß der Unternehmer, wovon er spricht.

Nur die allerwenigsten Absolventen dürften  Groz-Beckert auf dem Schirm haben, obwohl das Unternehmen stolze 530 Millionen Euro Umsatz  im Jahr macht und 7.000 Mitarbeiter hat, davon über 2.000 in Deutschland. Das Unternehmen  setzt überwiegend auf Praktika und Abschlussarbeiten, um dem Ingenieurnachwuchs die Faszination von Hightech-Stricknadeln und Webmaschinen näher zu bringen.

Wer darauf beim besten Willen keine Lust hat, kann mit seinem MINT-Abschluss natürlich auch eine wissenschaftliche Karriere einschlagen oder sich für den Aufstieg ins Management empfehlen. Über zehn Prozent aller MINT-Kräfte gehen nach Berechnung des IW Köln einem eher kaufmännischen Beruf nach und arbeiten bei Banken, Versicherungen, Beratungsgesellschaften oder als Leitende Angestellte oder Geschäftsführer in einem Technologieunternehmen. Ein berufsbegleitendes MBA-Studium oder branchenspezifische Weiterbildungsangebote bilden dafür eine gute Basis.

Wenn es nämlich etwas gibt, was noch knapper ist als MINT-Fachkräfte, dann sind es MINT-Fachkräfte, die technisches Wissen mit Managementfähigkeiten verbinden und somit als Führungskräfte und im Projektmanagement eingesetzt werden können.

Summa summarum bleibt MINT also eine hochattraktive Karrierefarbe. Dass Raphael Troll die Stelle bei Reply am Ende nicht bekommen hat, betrübt ihn deshalb auch nicht weiter. An sein Bachelorstudium in Energiewirtschaft an der TU Darmstadt hängt er jetzt lieber an der Uni  Kassel noch einen Master in "Regenerativen Energien und Energieeffizienz" an. Später könnte er sich vorstellen, an der Schnittstelle zwischen Energieerzeugung und der IT-Steuerung von Anlagen und Stromnetzen zu arbeiten. "Während meiner Bachelorarbeit zum Thema virtuelle Kraftwerke habe ich festgestellt, dass es dafür noch keine einheitliche Softwarelösung gibt", sagt er. Eine passende Fachabteilung ist bei Reply gerade im Aufbau. Vielleicht bewirbt sich der Energiespezialist in ein paar Jahren einfach nochmal. Und bis dahin freut er sich über seinen sparsamen Mini.     

Kirstin von Elm

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