Top-Arbeitgeber ist irgendwie jeder

Foto: Gerd Altmann / PixelioJedes Jahr aufs Neue sagen Rankings den Hochschulabsolventen, welches diesmal wieder die "Top-Arbeitgeber" in Deutschland, Europa, der Welt sind. Doch Skepsis ist angesagt: Wem nutzen solche Rankings? Was sagen sie wirklich aus? Was überhaupt nicht? Und wozu können Bewerber sie bei der Jobsuche nutzen?

Sie ernennen "Deutschlands beste Arbeitgeber" oder die "Top-Arbeitgeber Deutschlands", verleihen den "BestPersAward" und sind seit neuestem auch auf regionaler Ebene mit "Hamburgs beste Arbeitgeber" unterwegs. Immer mehr Rankings und Wettbewerbe ermitteln, wer die schönsten im Land sind unter den Arbeitgebern aller Branchen. Und das ist wohl genau das, was sich jeder Bewerber sehnlichst wünscht: Eine Art Stiftung Warentest, die den Arbeitsmarkt vorsortiert und ihm sagt, wo er hingehen soll - und wo nicht.

Soweit zumindest das Marketing der Veranstalter und die Hoffnung der Bewerber. Um aber wirklich beurteilen zu können, was solche Rankings an Informations-Nährwert liefern, lohnt sich ein Blick auf die Entstehung der schönen Listen. Wenn etwa Trendence, eines der bekanntesten dieser Bewertungs-Institute, das Absolventen-Barometer mit "Deutschlands 100 Top-Arbeitgebern" herausgibt, dann stehen dahinter alljährlich über 20.000 Votings von Studierenden, erhoben an Dutzenden, feinstens selektierten, regional und nach Fächergruppen ausbalancierten Hochschulen in ganz Deutschland. Eine beachtliche Organisationsleistung, die das Trendence-Institut seit Jahren in enger Kooperation mit den Hochschulen erbringt. Diese nämlich sprechen ihre Studierenden auf die Teilnahme an der Befragung des Instituts an und stellen somit sicher, dass die Studienteilnehmer wirklich Studierende sind. Vorgelegt bekommen die Befragten eine Liste mit Arbeitgeber-Namen, die das Trendence-Institut vorgibt. Diese Liste entsteht - nach Angaben des Instituts - jedes Jahr neu auf Basis der Angaben der Vorjahresbefragten.

Das mag so sein. Ein gewisser Argwohn, dass die Liste eine hohe Übereinstimmung mit der der Kunden des Instituts hat, scheint aber immerhin angebracht. Denn dieses lebt davon, Arbeitgebern umfangreiche Tiefenanalysen und Benchmark-Berichte zu verkaufen, die detaillierte Aussagen darüber machen, wie das Unternehmen von welchen Studierenden-Gruppen gesehen wird und im Vergleich zu seinen Wettbewerbern dasteht. Diese Dienstleistung ist hilfreich für Unternehmen, um das eigene Personalmarketing zu optimieren und Schwachstellen in der Markenkommunikation zu identifizieren. Weitaus problematischer aber ist, dass die Studierenden, die ein Urteil zu Unternehmen abgeben, diese naturgemäß gar nicht aus eigener Erfahrung kennen können. Mehr als eines oder zwei Unternehmen werden die wenigsten der Befragten im Rahmen von Praktika von innen gesehen haben, in vielen Fällen wahrscheinlich gar keines.

Unterm Strich kommt also ein Ranking zustande, bei dem mehr als 20.000 Studierende ein Urteil abgeben über 120 Unternehmen, von deren Qualitäten als Arbeitgeber sie aus eigener Anschauung gar nichts wissen.

So stehen also nicht die Führungsqualitäten der Chefs, die Unternehmenskultur oder die Karrierechancen auf dem Prüfstand, sondern es geht allein um das Image der Marken und damit um die Klischees in den Köpfen der Befragten. Und diese folgen nun mal ganz einfachen Strickmustern: BMW baut tolle Autos, Reisen mit der Lufthansa macht Spaß, Google ist eine effiziente Suchmaschine, die jeder nutzt.

BMW, Porsche oder Audi, die bei Trendence immer wieder vordere Plätze belegen, freuen sich natürlich trotzdem. "Für uns ist das eine Bestätigung, dass wir auf dem richtigen Weg sind", sagt Michael Groß, Leiter des Personalmarketings bei Audi. Natürlich weiß er, dass mit der Platzierung auch eine Herausforderung an das Unternehmen formuliert wird - und zwar die, das Versprechen, wirklich ein guter Arbeitgeber zu sein, bei den Berufsstartern auch einzulösen: "Wir haben das Ziel, bis 2015 attraktivster Arbeitgeber in der Automobilindustrie zu werden", sagt Groß, "und das nicht nur in der Außenansicht, sondern vor allem nach innen." Das klingt gut, macht das reine Rankingergebnis aber für einen Bewerber erst mal nicht viel nützlicher.

Dass Trendence keine harte Studie über das tatsächliche Verhalten der Arbeitgeber abliefert, geben die Verantwortlichen nur ungern zu. "Die publizierten Rankings des Absolventenbarometers reflektieren nicht zwangsläufig, wie die Unternehmen intern mit Nachwuchskräften umgehen", sagt Oliver Viel, Leiter der Kundenkommunikation, "sondern sie zeigen, welche Marken überzeugen". Auch das "Young Professional Barometer" von Trendence, bei dem Personen befragt werden, die schon ein paar Jahre im Job hinter sich haben, ermittelt nicht die Qualität der Unternehmen als Arbeitgeber, sondern sagt allenfalls aus, für welche Arbeitgeber sich die Junior Professionals im Falle eines Jobwechsels am ehesten interessieren würden.

Also wieder Einschätzungen, die mehr auf Hörensagen basieren als auf eigenen Erfahrungen.

Die Qualität des eigenen Arbeitgebers werde zwar gemessen, die Informationen gelangten aber nur in interne Studien, sagt der Veranstalter. Und das ist genau das generelle Problem dabei:

Feinheiten, die wirklich ein differenziertes Bild zeichnen könnten, werden in der Öffentlichkeit nicht kommuniziert.

"Der Mehrwert dieser Rankings für Absolventen und Berufseinsteiger ist gering", sagt daher Jürgen Kumbartzki, Geschäftsführer von Taikn, ein Unternehmen, das sich auf strategische Markenberatung spezialisiert hat. "In den Köpfen der Bewerber bleiben die erfolgreichen und bekannten Firmen hängen. Starke Unternehmensmarken sprechen aber nicht für die besten Arbeitgeber." Zumindest nicht zwangsläufig. Für Firmen seien die Rankings dafür aber umso wichtiger: "Sie sind ein gutes Marketing-Instrument." Und für große Unternehmen, die auf den Auswahl-Listen nicht fehlen dürfen, auch wenn sie keine Studien kaufen, ist es ein sehr günstiges Marketing - sofern sie gut abschneiden.

Gratis in eine Studie aufgenommen zu werden, das gibt es beim Great Place to Work-Institut nicht. Dieses präsentiert sich im Internet  als ein "Forschungs- und Beratungsunternehmen" mit Sitz in den USA, das jährlich eine Liste der besten Arbeitgeber in Europa erstellt.

Es gehe darum, Organisationen und Unternehmen dabei zu unterstützen, dauerhafte Verbesserungen der Arbeitsbeziehungen zu erzielen.

Jährlich veröffentlicht das Institut die Liste "Deutschlands Beste Arbeitgeber", die medial exklusiv im Handelsblatt verarbeitet wird, aber in der Folge auch viel Resonanz in anderen Medien bekommt.

Was bei dieser Hitliste von den Lesern leicht übersehen wird, obwohl das Institut es offen kommuniziert: Die Unternehmen zahlen hohe Beträge, um an dem Wettbewerb teilzunehmen. Je nach Größe sind sie mit 3.900 bis 7.900 Euro dabei, wenn sie das Basis-Angebot in Anspruch nehmen möchten: Befragungsteilnahme und Auswertung. Teurer ist dann das "Silver Package" oder das "Gold Package", bei dem die Ergebnisse persönlich beim Auftraggeber präsentiert werden. Von 3.000 Unternehmen, die das Institut im vergangenen Jahr angesprochen hat, waren 235 bereit, für eines der Pakete zu zahlen. Was sie neben einigen nützlichen Erkenntnissen damit vor allem kaufen, ist das Label "Deutschlands beste Arbeitgeber", mit dem sie sich schmücken dürfen. Da es genau hierum eigentlich geht, funktioniert das Geschäftsmodell der Ranking-Anbieter genau dann besonders gut, wenn es möglichst viele "Gewinner" gibt.

Das zu ereichen, ist ein leichtes, wenn man die Daten nur tief genug herunterbricht: den "Top- Arbeitgeber in der Nahrungsmittelindustrie", den "Top-Arbeitgeber in der Größenklasse bis Soundsoviel Mitarbeiter" und den "Top-Arbeitgeber in der Region XY" kürt. Wenn eine große Versicherung damit wirbt, in der Kategorie "mehr als 5.000 Mitarbeiter" Platz fünf belegt zu haben, klingt das erst mal positiv. Aus der Great-Place-to-Work-Aufstellung im Web lässt sich allerdings schließen, dass nur sechs Unternehmen in dieser Kategorie teilgenommen haben. Platz fünf heißt somit zwar nicht zwingend "ist ein schlechter Arbeitgeber", es ist aber auch kein Gütesiegel.

Einen Vorteil hat das Ranking des Great Place to Work-Institut aber gegenüber Trendence und dessen großem Rivalen Universum: Es nehmen viele unbekannte, mittlere und auch kleine Unternehmen teil. Da kommt man als Bewerber mal auf neue Ideen. Wer kennt sonst schon Tyczka Totalgaz, Yaskawa Electric Europa oder Pentasys?

Dass Geld für die Evaluation fließt, ist nicht nur bei Great Place to Work der Fall, sondern auch bei "Top Job", einem Projekt, das die besten Arbeitgeber im Mittelstand sucht und den ehemaligen Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement als Mentor gewinnen konnte. In einer Studie werden die Mitarbeiter der teilnehmenden Unternehmen nach ihren Arbeitsbedingungen gefragt, etwa nach Möglichkeiten der beruflichen Weiterentwicklung, der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und nach Möglichkeiten der Kinderbetreuung. Die Teilnahme kostet je nach Unternehmensgröße zwischen 3.700 und 5.900 Euro.

Und genau da liegt wieder das Problem für die Aussagekraft: Es ist im Prinzip nichts Ehrenrühriges daran, Unternehmen eine kostenpflichtige Erhebung als Dienstleistung anzubieten. Problematisch wird es allerdings, wenn die Ergebnisse nachher in einer Bestenliste präsentiert werden - und nicht auf den ersten Blick klar wird, dass nur Unternehmen vorkommen, die eine Menge Geld bezahlt haben.

Für Unternehmen seien die Rankings trotzdem sinnvoll, sagt Wolf Reiner Kriegler, Gründer und Geschäftsführer der Deutschen Employer Branding Akademie in München. Er hält die Rankings von Great Place to Work und Top Job für ein gutes Mittel, um die Arbeitgeberqualitäten der eigenen Firma auf den Prüfstand zu stellen: "Bei diesen Rankings werden die Menschen im Unternehmen befragt, die wirklich etwas über die Qualität ihres Arbeitgebers aussagen können." Und er vermutet, dass viele der großen Konzerne deshalb nicht mitmachen, weil sie eine schlechte Beurteilung fürchten. Die Teilnehmenden haben sich immerhin getraut.

Für Bewerber haben diese Bewertungen deshalb auch mehr Aussagekraft als die Image-Befragungen von Universum oder Trendence. Schließlich basieren sie auf den Antworten von Mitarbeitern und spiegeln nicht nur das Image einer Marke wider. Allerdings wird immer nur eine ganz kleine Anzahl von Arbeitgebern bewertet - diejenigen, die bereit sind, Geld auszugeben. Sie bieten aber in jedem Fall die Chance, einen ersten Überblick über den Markt zu bekommen - und vielleicht ein Unternehmen zu finden, auf das man sonst gar nicht gekommen wäre.

Doch eines liefern auch diese "Insider"-Befragungen nicht: Einen Blick auf Arbeitgeber, die bei ihren Mitarbeitern durchgefallen sind.

Denn nach außen kommunizieren die Institute nur die Positiv-Beispiele der Branche. Wer nicht überzeugt, bleibt anonym.

Ein weiteres Problem aller Rankings: Es fehlt an Transparenz, was die Erhebung und die Methoden angeht: Bei Great Place to Work werden Scores ermittelt, die darüber entscheiden, ob ein Unternehmen Top oder Flop ist. Diese Maßstäbe werden aber nicht mitgeteilt. Bei Trendence haben die Unternehmen ein Mitspracherecht, welche Hochschulen an der Befragung teilnehmen. Und da sucht man sich natürlich die aus, an der das Personalmarketing in letzter Zeit eine große Welle gemacht hat.

Doch es gibt auch Positivbeispiele - Wettbewerbe, die klar kommunizieren, was eigentlich erhoben wird. Der "BestPersAward", der vom Institut für Managementkompetenz und einer Jury aus Unternehmensvertretern vergeben wird, prämiert Mittelständler, die mit einer guten Personalarbeit überzeugen. "Die Teilnahme ist kostenlos, die Unternehmen sollen die Möglichkeit bekommen, ihr Personalmanagement besser beurteilen zu können", sagt Christian Scholz, BWL-Professor an der Universität des Saarlandes, der den Award entwickelt hat. Dafür füllen die teilnehmenden Personalabteilungen einen recht üppigen Fragebogen aus zu den Details ihrer Personalarbeit. Die Jury bewertet die Professionalität in zehn Kategorien. Auch hier kommen zwar wieder keine Mitarbeiter zu Wort, aber eine gute Personalarbeit lässt zumindest auf einen professionellen Umgang mit Mitarbeitern schließen. Und diese Information ist für Bewerber ja auch schon was wert.

Experten wundern sich trotzdem, warum die Wettbewerbe in den vergangenen Jahren so an Bedeutung und Präsenz gewonnen haben.

"Ich rate sowohl meinen Unternehmenskunden als auch Jobsuchenden, sich von diesen Bewertungen möglichst unabhängig zu machen", sagt Taikn-Geschäftsführer Kumbartzki. Weil viele Anbieter von ihren Kunden Geld verlangen, ist er von der Neutralität der Rankings nicht überzeugt. Darüber hinaus hält er die Wettbewerbe um die besten Plätze für "völlig inflationär".

Ideal geeignet für Befragungen zur Arbeitgeberqualität wäre eigentlich das Web 2.0.

Doch die bisherigen Versuche, mit Portalen wie kununu.com oder jobvoting.de ein valides Stimmungsbild zu erzeugen, sind nicht überzeugend. Wenn zum Beispiel auf Kununu acht Leute eine Meinung zu Siemens abgegeben haben (Stand: März 2010), dann fragt sich, wie repräsentativ das für einen Konzern sein kann, der allein in Deutschland über 130.000 Mitarbeiter hat. Wenn diese acht Leute dann ihren Chefs 2,5 von fünf möglichen Punkten geben, fragt sich der geneigte Nutzer zu Recht, welchen Informationswert das für ihn hat. Schließlich sind Chefs so verschieden wie alle anderen Menschen. Obwohl Personaler es in letzter Zeit ganz hip finden, bei Kununu und anderen Bewertungsportalen präsent zu sein und dort mittlerweile eine große Zahl von Unternehmen in der Datenbank stecken, kommt keine der Firmen auf eine wirklich repräsentative Zahl von Bewertungen.

Neben der kritischen Masse stellen auch die Bewerter selbst ein kleines Problem in Sachen Glaubwürdigkeit dar. Auch wenn sie sich vor ihrem Urteil mit ihrer Mailadresse registrieren müssen und zusagen, dass alles mit rechten Dingen zugeht, gibt es keine Garantie, dass sie tatsächlich für das bewertete Unternehmen gearbeitet haben. Es würde daher kaum auffallen, wenn ein Arbeitgeber hier peu a peu seine Bewertungen hochschreiben oder Konkurrenten schlecht machen ließe.

Unterm Strich sind solche Portale - ganz ähnlich wie die Rankings - eher ein nettes Betätigungsfeld für das Personalmarketing von Arbeitgebern als wirklich eine valide Informationsquelle für Bewerber.

Britta Mersch, Annette Eicker

Auf einen Blick

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