Schütteln Sie Ihr Leben durch!
In der Mitte des Lebens, beruflich ist so einiges geschafft, die Familie ist gegründet und finanziell eine Basis gelegt, schleicht sich auf leisen Sohlen vielfach eine Sinnkrise ein: Soll das noch bis zur Rente so weiter gehen? Immer mehr Verantwortung, mehr Umsatz, mehr Gehalt, mehr Statussymbole, weniger Zeit für Kinder, Partner, Freunde, immer weiter in diesem Hamsterrad? Vielleicht wäre es an der Zeit, inne zu halten, zurück zu schauen und ein paar Weichen neu zu stellen. Wie können Sie es schaffen, Arbeit und Karriere, Partnerschaft und Familienglück, Freunde und Freizeit, Gesundheit und Sport, Sinnsuche und Kultur, Träume und Ziele unter einen Hut zu bringen und glücklich und erfüllt zu leben, ohne sich auszupowern und Ihr Kräftekonto dick in den Dispo zu fahren? Ein Coaching von Ralph Goldschmidt.
Kennen Sie das? ... dass die Zeit an Ihnen vorbei rast? Von Geburtstag zu Geburtstag, von Silvester bis Silvester, von Tagung zu Tagung, von Veranstaltung zu Veranstaltung... Kennen Sie, ne?...Und man hat den Eindruck, es geht immer schneller.
Oft fühlen wir uns wie im Hamsterrad. Man hat kaum noch Zeit zum Innehalten. Ich möchte Sie einladen einmal in diesem Hamsterrad stehen zu bleiben und in den Spiegel zu schauen. Um zu sehen, wie es in Ihrem Leben gerade aussieht. Um zu erkennen, was Ihnen wichtig ist, wirklich wichtig.
Stellen Sie sich vor, ihr Leben ist ein Maßband. Das ist 100 Centimeter lang. Oder sagen wir besser 83 Centimeter – die durchschnittliche Lebenserwartung von Frauen. Sagen wir mal, Sie sind heute 42 Jahre alt. Das ist das Alter, wo „Happy“ und „Birthday“ anfangen, getrennte Wege zu gehen. Die Zeit von Null bis 42 ist rum, also weg. Bleiben also noch 41 Centimeter – für die Frauen. Für einen Mann sind es statistisch gesehn fünf Jahre weniger. Wenn der dann auch noch Raucher ist, können wir noch einmal drei bis vier Centimeter abreißen.
Wieviel von der Zeit, die uns bleibt, verbringen wir prozentual im Wachzustand? Zwei Drittel, genau. Das andere Drittel schlafen wir. Dann bleibt für Männer also noch eine Netto-Restlaufzeit von 24 Jahren, bei den nicht-rauchenden Frauen etwa 28/29 – das, was Ihnen statistisch noch an wacher Lebenszeit bleibt, Zeit, die Sie bewusst gestalten können.
Okay, mögen Sie denken, das ist ja nur eine statistische Größe. Stimmt. Wenn Sie genetisch ordentlich was mitbekommen haben und Ihr Arbeits- und Lebensstil entsprechend aussehen, haben Sie ein paar Jahre mehr. Das wünsche ich jedem, insbesondere, wenn es gute Jahre werden.
Das kann's doch wohl nicht gewesen sein
Es kann aber auch ganz anders kommen – etwa dass Ihnen heute auf dem Heimweg jemand die Vorfahrt nimmt. Und zwar richtig. Sie fahren mit dem Auto nach Hause, und da kachelt Ihnen einer volle Kanne rein. Sie fliegen durch die Windschutzscheibe, klatschen auf den Asphalt, liegen auf der Straße, rücklings, können sich nicht bewegen. Dann hören Sie Sirenen, aus dem Augenwinkel sehen Sie das Blaulicht. Plötzlich erkennen Sie den Notarzt, der sich über Sie beugt und das Letzte, was Sie bewusst wahrnehmen, ist dies: Von all den Jahren bleiben Ihnen nur noch wenige Minuten, gleich ist es vorbei.
Jetzt läuft vor Ihrem geistigen Auge noch einmal der Film Ihres Lebens ab und Sie ziehen Bilanz: Mit welchem Gefühl würden Sie sich verabschieden von dieser Welt? Was wären Ihre letzten Gedanken? Würden Sie denken: Schade, dass ich nicht mehr Zeit im Büro verbracht habe? Oder macht sich eher das Gefühl breit: Wie, schon vorbei?! Das kann´s doch wohl noch nicht gewesen sein. Wo bitte ist das Happy End? Ich hatte noch sooo viel vor. Da sollte doch noch sooo viel kommen.
Wenn jemand stirbt, ist das noch lange kein Beweis dafür, dass er vorher gelebt hat. Ich meine gelebt, nicht bloß funktioniert. Manch einer müsste auf seinem Grabstein berechtigterweise stehen haben: Er gab alles für die Arbeit, und nichts für den Rest. Andere Zeitgenossen möchte man zeitlebens fragen: Lebst du schon – oder existierst du noch? Der Punkt ist, wir wissen nicht, wieviel Zeit wir noch haben. Wir wissen auch nicht, ob es ein Leben nach dem Tod gibt. Sicher ist: Es gibt ein Leben VOR dem Tod. Und dieses Leben lässt sich nicht auf die hohe Kante legen.
Die zentralen Fragen, mit denen ich mich beschäftige, lauten: Wie mache ich aus meinem Leben, aus der Zeit, die mir noch bleibt, und von der ich nicht weiß, wie viel ich noch habe, das Bestmögliche? Ein erfülltes Leben, vielleicht gar ein Meisterwerk. Wie schaffe ich es, Spitzenleistungen zu bringen – und zwar nicht nur heute, sondern dauerhaft, also auch noch in zehn oder 20 Jahren? Wie gelingt mir der Balanceakt, den stetig steigenden Anforderungen gerecht zu werden und mir gleichzeitig den Spaß, die Leichtigkeit, die Lust am Leben zu bewahren. Oder sie wieder zu finden – auch dann, wenn´s mich mal richtig gebeutelt hat?
Wie kriege ich all das hin, ohne in den Burnout zu rauschen? Das böse B-Wort: Burnout, was ist das überhaupt? Eine Krankheit? Befindlichkeit? Inflationäre Modediagnose? Ausdruck echten Leids? Oder einfach nur ein schickes Etikett für Workoholics oder Wichtigtuer? Burnout klingt gleich viel besser als Depression! Depression klingt nach Lusche, nach Weichei. Stell dich nicht so an! Lass dich nicht so hängen! Reiß dich mal zusammen. Burnout dagegen: Da hat man vorher ja gebrannt wie ein Martinsfeuer, sich völlig verausgabt, hingegeben, aufgeopfert. So´n Burnout, den kriegt man nicht, den verdient man sich! Und wer mit 38 noch keinen hatte, der ist ein Arbeitsverweigerer.
Der Begriff Burnout wird sicher auch missbraucht. Natürlich wird auch simuliert. Und mancher wirklich Gestresste ist bloß reif für einen längeren Urlaub. Oder er braucht einen guten Coach. Oder neue Aufgaben. Und wenn einer letzte Nacht bis um halb fünf gesoffen hat und deshalb heute um kurz nach acht beim Frühstück platt ist, ist das erst recht kein Burnout.
Es gibt noch immer keine „richtige“ Diagnose für Burnout. Es wurden über 160 mögliche Symptome identifiziert, aber es gibt weder eine klare Definition, noch einen klaren Verlauf, noch eine klar definierbare „Zielgruppe“. Im ICD-10, dem weltweit geltenden Diagnoseschlüssel, behilft man sich mit einer Bezeichnung aus der Restkategorie: Z 73.0 heißt: Der Betroffene leidet „an Problemen mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensführung“. Na toll!
Eine Depression ist super komplex. Die findet im Gehirn statt, ähnlich wie die MS, Parkinson oder Demenz. Aber eine Depression kann man weniger gut spezifizieren. Bei MS werden im Gehirn Plaques sichtbar, die sich dann auch im Rückenmark finden. Bei Parkinson funktionieren die Dopaminneuronen nicht mehr. Bei Demenz gehen die Nervenzellen zugrunde. Und bei der Depression ist die Diagnose deshalb viel schwieriger, weil sie sich über große Netzwerke unseres Gehirns erstreckt.
Psychische Erkrankungen nehmen zu
Egal ob das nun Burnout oder Depression oder Erschöpfungssyndrom oder sonst wie heißt. Fakt ist: Psychische Erkrankungen nehmen dramatisch zu! Die WHO prognostiziert, dass die psychischen Erkrankungen im Jahr 2030 die Hauptursache für krankheitsbedingte Fehlzeiten sind. Vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen und vor „Rücken“ und anderen Skelett- und Muskelproblemen. Mir geht es darum, was Sie tun können, um eben nicht da rein zu rauschen.
Ums kurz zu machen: Es gibt keine Patentrezepte. Und eigentlich gibt der gesunde Menschenverstand schon recht viel her. Als Autofahrer wissen Sie, dass Sie regelmäßig tanken müssen, um nicht liegen zu bleiben. Das passiert Ihnen nicht, weil Sie eine Tankanzeige im Auto haben. Und wenn der Sprit zur Neige geht, leuchtet die rot oder orange, fängt an zu piepen und zeigt Ihnen an, für wie viele Kilometer der Sprit noch reicht. Da käme doch kein Mensch auf die Idee zu sagen: passt schon! Selbst wenn Sie knapp dran sind und Gefahr laufen, durch den Tankstopp zu spät zu kommen, würden Sie an der nächsten Tankstelle rausfahren.
Im richtigen Leben gibt´s auch Warnsignale, die anzeigen, dass der Tank fast leer ist. Die leuchten bloß nicht rot. Und es gibt auch keine Digitalanzeige, für wie lange der Saft noch reicht. Piepen tut´s schon mal. Tinnitus! Aber weil´s nirgends rot leuchtet, gucken und hören wir häufig nicht so genau hin, ignorieren das, verpassen dann die Tanke und bleiben liegen. Dann kommt statt dem ADAC der Notarzt.
Peter Drucker hat gesagt: „Die vorrangige Aufgabe von Führungskräften ist es, sich um die eigene Energie zu kümmern, und danach die Energie anderer nutzbar zu machen.“ Ist ja einleuchtend: Wenn Sie ohne Sprit auf dem Seitenstreifen liegen bleiben, wenn Ihnen der Kraftstoff für die nächste Steigung fehlt, wie wollen Sie dann Ihre Leute dabei unterstützen, da hochzukommen? Ein bisschen Hupen reicht da nicht, nicht auf Dauer. Und im Business gibt´s fast nur noch Steigungen. Rollen lassen war einmal.
Auf die Frage, wer der wichtigste Mensch in ihrem Leben sei, antworten die meisten Menschen: meine Tochter, mein Sohn oder mein Partner. Bullshit. Der wichtigste Mensch in Ihrem Leben sind Sie! Denn wenn es Ihnen schlecht geht, hat da keiner was von. Ihre Kinder nicht, Ihr Partner nicht, Ihre Mitarbeiter nicht, Ihre Kollegen nicht, Ihr Chef nicht, Ihre Kunden nicht – und Sie selbst schon mal gar nicht.
Viele Menschen ticken so, dass Sie denken: Erst wenn es den anderen gut geht, wenn deren Bedürfnisse erfüllt sind, dann bin ich dran. Aber erst dann! Aus Loyalität gegenüber der Firma, aus Pflichtbewusstsein und Liebe gegenüber der Familie, manchmal auch aus Angst vor Konsequenzen tut man alles für die anderen und nichts für sich selbst. Das sind ehrenwerte, nachvollziehbare Motive. Aber: Es ist ein bisschen kurz gesprungen. Und verantwortungslos. Denn wenn Sie ausfallen, müssen alle anderen sehn, wie die ohne Sie klar kommen.
Ich habe ein Modell erstellt, das die sieben Bereiche umfasst, die unser Leben ausmachen: Beziehungen, Gesundheit, Beruf, Finanzen, Lebensphilosophie, Freizeit, Wohnen.
Beginnen wir mit den Beziehungen. Dazu gehören vor allem Ihre Partnerschaft, Ihre Familie und Ihre Freunde – nicht Ihre 496 Facebook-Freunde, sondern die zwei, drei dicken, alten Kumpels. Eine stabile Partnerschaft und lebendige Freundschaften tragen ganz wesentlich zu einem glücklichen Leben bei. Und zur Bewältigung der kleineren und größeren Krisen, die jeder mal erlebt. Das sagt nicht nur der gesunde Menschenverstand, sondern auch die Wissenschaft, sowohl die moderne Glücks- als auch die Resilienzforschung.
Wenn Sie in einer Partnerschaft leben, dann gibt es eine ganz einfache Frage, mit deren spontaner Beantwortung Sie feststellen können, wie es um die Qualität Ihrer Partnerschaft bestellt ist: Kommen Sie lieber (nach Hause)... oder gehen Sie lieber? ... Und „lieber kommen“ nicht, weil Sie endlich mal in Ruhe Ihre Mails checken oder im Hobbykeller am Moped schrauben wollen, sondern weil es Sie zu ihr oder ihm nach Hause zieht.
Seien wir doch mal ehrlich: Wie sieht´s im Alltag denn aus? Da hatten Sie einen langen Tag, Stress mit einem Kollegen, zwei völlig überflüssige Meetings, ein paar nervige Kunden am Telefon, Projekte, mit denen Sie nicht so recht voran kommen, weil ständig irgendwas und irgendwer dazwischenplatzt, es wird mal wieder etwas später, und auf dem Rückweg stehen Sie auch noch im Stau. Dann kommen Sie nach Hause, es ist kurz vor acht, und rufen quer durchs Haus: „Schatz, ich muss nur noch mal eben kurz die Mails checken.“ Und wenn Sie dann nach fünf Minuten fertig sind, steht der Zeiger auf halb elf. Dann schafft man´s noch gerade so bis aufs Sofa vor den Fernseher, man befindet sich schon im Zustand des intellektuellen Wachkomas, es reicht so eben noch für „Bauer sucht Frau“.
Und wenn man nicht gleich vor der Glotze einschläft, robbt man sich anschließend mit letzter Kraft ins Schlafzimmer. Und wo man früher noch geglänzt hat mit präkoitaler Liebenswürdigkeit, schafft gerade noch ein „Träum was schönes“, an guten Tagen reicht´s vielleicht noch für nen Gute-Nacht-Kuss. Alternativ dazu man hat den Fernseher gleich im Schlafzimmer stehen. Dann ist erst recht nix mehr los auf´m Laken. Und dann bringt am nächsten Morgen auch keiner einen frisch gepressten O-Saft, heißen Kaffee und Rührei ans Bett.
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