Die Frage ist doch: Was passiert da vor dem Aus? Und was passiert nicht mehr? Und was können Sie tun, damit Ihnen das nicht passiert?
Der Psychoanalytiker Professor Michael Lukas Möller hat jahrzehntelang erforscht, warum manche Partnerschaften prima laufen und andere weniger. Unter anderem hat er sich mal der Frage gewidmet, wie viel Zeit pro Tag Ehepartner nach vier Jahren Ehe mit „wesentlichen Gesprächen“ verbringen – also wirkliches Miteinander-Reden, ohne Jobgespräche, ohne Haushaltsgespräche. „Ist noch Bier im Keller?“ zählt nicht. Es sind vier Minuten. Vier Minuten, das ist echte Lean Communication.
Wie ist das bei Ihnen? Wieviel Zeit verbringen Sie mit wirklichem Miteinander-Reden, mit Gesprächen jenseits der Logistik: „Wer macht am Samstag den Einkauf“ oder „Bringst du die Kinder zum Turnen oder ich?“
In langen Beziehungen bleiben ja bekanntermaßen nicht nur die Gespräche irgendwann auf der Strecke, auf dem gemeinsamen Laken ist auch nicht mehr viel los. Schauen wir mal auf die Zahlen von Professor Möller: Er machte auch anonyme Befragungen unter Ehefrauen, ebenfalls nach vier Jahren Ehe: Würden Sie Ihren Mann nochmal heiraten? Knapp die Hälfte aller Frauen antwortete: Den würde ich nicht mehr nehmen. Aber 80 Prozent der Männer sagten: Bei uns ist alles in Ordnung. Die wohnt ja eh noch da! Fazit: Da ist eine große Lücke in der Wahrnehmung und Bewertung der Beziehung. Kein Wunder, dass Frauen mit Abstand häufiger die Scheidung einreichen.
Was können Sie für Ihre Ehe oder Partnerschaft tun? Hier nun zwei Tipps. Beim ersten geht´s darum, wie Sie immer wieder erkennen können, wie´s um Ihre Ehe oder Partnerschaft steht. Ich habe das mit meiner Frau als sehr hilfreich erlebt. Sie war auch schon mal verheiratet, und nachdem wir ein paar Monate zusammen waren, kamen wir darauf zu sprechen, was wir denn tun könnten, um nicht in die Routine-Falle zu laufen. Oder um uns irgendwann zu trennen, und dann zu dem Schluss zu kommen, dass man sich die letzten zwei Jahre hätte eigentlich auchschon schenken können. Verschwendete Lebenszeit.
Wir haben uns dann ein Ritual überlegt: die Verlängerungsfrage. Einmal im Monat, bei uns war das am 28sten, stellen Sie sich gegenseitig folgende Frage: „Schatz, würdest Du noch mal um die selbe Zeit verlängern, die wir schon zusammen sind, wenn es so weitergehn würde, wie der letzte Monat war?“ Was würde sie/er wohl antworten? Und wie wäre Ihre Antwort? Der entscheidende Punkt ist, dass Sie einmal im Monat bewusst hinschauen, kurz Bilanz ziehen und es aussprechen. „Schatz, das war super, wenn es so weiterginge... gerne bis in die Ewigkeit.“ Oder: „Ganz ehrlich, wenn´s so weiterginge wie im letzten Monat, dann können wir das auch knicken, das braucht kein Mensch. Ich jedenfalls nicht.“ Es kommt aufs Tablett statt unter den Teppich. Und dann können Sie zusammen überlegen und besprechen, ob und was Sie ändern möchten.
Mal angenommen, es kommt raus, dass Sie viel zu wenig Zeit füreinander haben. Eigentlich schaffen Sie´s gerade noch, zusammen Ihren Alltag zu organisieren, abends reicht´s nur noch für den Tatort. Aber angenommen, Sie wollen von diesem inhaltsleeren Nebenein-ander wieder zu einem lebendigen Miteinander, Sie wollen wirklich was tun für Ihre Partnerschaft, dann kommt hier der zweite Tipp: Das Zwiegespräch. Es wurde entwickelt von Professor Möller. Zwei Dinge sind dabei wichtig: 1. Nehmen Sie sich einmal in der Woche 90 Minuten ungestört Zeit – zusammen! Ohne Handy, ohne Kinder, ohne Fernseher! 2. Sorgen Sie dafür, dass Sie dies regelmäßig tun.
Ablauf: 6 x 15 Minuten, immer im Wechsel. Einer spricht, der andere hört nur zu – ohne zu unterbrechen. Nach 15 Minuten wird gewechselt. Die Frage, über die jeder spricht, lautet: „Was beschäftigt mich zurzeit am stärksten?“ Sie schildern, wie Sie sich, den anderen und die Beziehung erleben. Oder über Konflikte am Arbeitsplatz, über Freude oder Stress mit den Kindern oder über Träume. Keine Fragen, keine Ratschläge. Wichtig ist, dass jeder von sich spricht und bei sich bleibt. Es gibt kein anderes Thema, nur das eigene Erleben. Was Sie fühlen, denken, wünschen. Punkt. Nach 90 Minuten ist Schluss, kein Nachdiskutieren. Die 90 Minuten werden nie verlängert und nie verkürzt.
Als wir das eingeführt hatten, war ich baff, was ich alles nicht mehr mitgekriegt hatte und meine Frau wirklich beschäftigte. Umgekehrt genau so. Und ich war auch baff, wie schnell Nähe und Lebendigkeit wieder entstehen, wenn man einfach über das spricht, was einen wirklich bewegt. Am Anfang fällt das den meisten nicht leicht, gerade uns Männern, aber mit ein wenig Übung kommen dann nach und nach auch die echten Themen auf den Tisch, auch die schwierigen.
Zeit mit Kindern sollte „Quality Time“ sein
Zu den Beziehungen gehören aber auch die Beziehungen zu den Kindern. Und da ist es so, dass viele Männer sich, was ihre Rolle als Vater betrifft, über Jahre, gar Jahrzehnte hinweg in einem fortwährenden Praktikantenstatus befinden. Weil sie nicht wirklich für ihre Kinder da sind. Und wenn sie anwesend sind, dann oft nur körperlich, im Kopf sind sie ganz woanders. Am Wochenende spielt man dann ein bisschen Eventmanager, das war´s. Stellen Sie sich vor, ein gut geschulter, unsichtbarer Gutachter begleitet Sie einen Monat lang und schaut sich nichts anderes an als das Verhältnis zwischen Ihnen und Ihren Kindern. Er hat ganz feine Antennen für die wirkliche Stimmung, die zwischen Ihnen herrscht. Wie würde sein Gutachten in einem Satz lauten? Und würden Sie das gerne lesen?
Es geht gar nicht darum, dass Sie immer alles von Ihren Kindern wissen müssen. Die Frage ist eher: Welche Verbindung haben Sie zu ihnen? Vielleicht haben Sie nur wenig Zeit. Aber ist diese knappe Zeit dann „Quality-Time“, soll heißen, sind Sie dann da? Nicht nur körperlich, sondern komplett da? Wenn Sie Ihre Kinder etwa morgens mit dem Auto zur Schule bringen: hören Sie in diesen zehn Minuten wirklich Ihrer Tochter zu – oder Ihre Mailbox ab? Sind Sie beim samstäglichen Kick mit Ihrem Sohn mit allen Sinnen auf´m Platz oder dreschen Sie den Ball schon mal „versehentlich“ in die Karpaten, damit Sie die Zeit, die der Kleine braucht, um ihn zu holen, dazu nutzen können, Ihre Mails zu checken?
Über die zunehmend gebrechlichen Eltern haben wir noch gar nicht gesprochen. Oder über anspruchsvolle Patchwork-Szenarien. Und wenn wir das tatsächlich alles hinkriegen, was kippt spätestens dann bei vielen hinten runter: Die Freunde. Es geht um die ganz wenigen, dicken Kumpels, mit denen Sie meist schon seit Ewigkeiten befreundet sind, die Sie mögen, obwohl sie Sie kennen.
Mit diesen Freunden müssen Sie sich nicht jede Woche auf´n Bier treffen oder Shoppen gehen. Mit denen sind Sie quasi ohne Anlauf ganz schnell wieder warm, auch wenn Sie eine Weile nichts voneinander gehört haben. Aber wenn man über Jahre nichts gemeinsames mehr erlebt, dann tragen gemeinsame Erinnerungen nicht mehr so weit. Wer sich keine Zeit für Freunde nimmt, dem nimmt die Zeit die Freunde. Und die sind dann eben nicht mehr da, wenn man mal Oberkante Unterlippe in der Misere steckt und sie braucht.
So weit zum ersten Lebensbereich, den Beziehungen. Warum haben wir uns so lange damit beschäftigt? Weil es die Beziehungen sind, die das Leben lebenswert machen! Stellen Sie sich vor, hier gäbe es eine Skala von eins bis zehn. Zehn würde bedeuten: Ich bin der König, die Königin der Welt in Bezug auf Nah-Beziehungen. Und eins hieße: Macht nix, wenn mir nachher einer die Vorfahrt nimmt! Wo stehen Sie da?
Kommen wir zum zweiten Lebensbereich, der Gesundheit. Die WHO Weltgesundheitsorganisation definiert Gesundheit als „einen Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen“.
Und wenn wir physisch und psychisch fit sind, sind wir leistungsfähiger und besser gewappnet für Druck- und Belastungssituationen. Wenn uns dann die Krankheiten und Gebrechen heimsuchen, werfen wir Medikamente ein, damit wir wieder fit werden.
Nur mal angenommen, es gäbe ein Mittel, was quasi alle anderen überflüssig macht, weil es all das hier bewirkt:
- Es stabilisiert Ihr Immunsystem
- Es normalisiert Ihr Gewicht
- Es senkt Ihr Krebsrisiko
- Es hält Ihren Kraftverlust auf
- Es reduziert Stresshormone
- Es verbessert Ihre Durchblutung
- Es normalisiert Ihren Blutdruck
- Es optimiert Ihre Herz- und Lungenfunktion
- Es erhält Ihre geistige Leistungsfähigkeit
- Es optimiert Ihre Cholesterinwerte
- Es stärkt Ihr Selbstvertrauen
- Es verbessert Ihre Lebensqualität
- Es erhöht Ihre Lebenszufriedenheit
- ... und bei all dem leben Sie auch noch deutlich länger
Und das Beste: Zusätzlich zu all diesen großartigen Leistungen gäbe es keinen Beipackzettel „Zu Risiken oder Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“, weil es bei richtiger Dosierung frei wäre von jeglichen miesen Nebenwirkungen. Würden Sie´s nehmen? Na klar, wäre ja bescheuert, es nicht zu tun. Und ich habe frohe Kunde: Dieses Mittel gibt es! Es kostet nichts, keinen Cent! Und der Name dieses Wundermittels ist: Bewegung! Wie sieht´s bei Ihnen aus? Wie viel Bewegung haben Sie pro Woche? Nicht im Skiurlaub, sondern in einer ganz normalen Woche?
Ein weiteres wichtiges Thema ist die Ernährung. Wie beim Sport, so geht es auch bei der Ernährung um die richtige Dosis. Was hauen Sie sich so über den Tag verteilt in den Kopf? Wie sieht Ihr Frühstück, Ihr Mittag- und Abendessen aus? Was gönnen Sie sich zwischendurch, wie viel und was trinken Sie? Genussmittel? Zum Beispiel Kaffee? Oder Alkohol?
Zehn Prozent aller Männer betäuben ihren Stress mit Alkohol! Und klar, wenn ich unter Strom stehe und mir abends zwei Liter Riesling reingieße, dann komm ich runter. Auch wenn Alkohol nicht wirklich entspannt. Das meint man bloß. Tatsächlich betäubt der lediglich den Teil unseres vegetativen Nervensystems, der für die Action verantwortlich ist, den „Sympathikus“. Hilfreicher wäre es, den Gegenspieler zu aktivieren, den „Parasympathikus“, der für wahre Entspannung sorgt. Aber das klappt nicht mit Alkohol.
Die nächste Frage ist, wie komm ich am nächsten Morgen wieder hoch? Und wie schaffe ich dann diesen Tag, wie kriege ich das alles gewuppt, was da ansteht? Was tun da immer mehr Hochleister, vor allem die chronischen Powerplayer? Wenn Kaffee nicht mehr hilft? Oder Red Bull?
Da redet keiner drüber. Die werfen was ein. Und die kleinen weißen, rosa oder blauen Kapseln und Pillen haben ja auch geile Namen: Brain-Booster oder Neuro-Enhancer! Wow! Da geht was! Viagra fürs Hirn! Da nehmen gesunde Menschen Medikamente gegen Alzheimer und Parkinson. Weil die die Konzentrationsfähigkeit erhöhen.
Was kann man noch nehmen? C17H21NO4... Was ist das? Koks. Gibt´s für 60 Euro pro Gramm frei Haus und die Stimmung steigt. Und die Leistungsfähigkeit. Und der Größenwahn. Das lassen sich Investmentbanker gerne mit der Pizza kommen.
Zur Vorsorgeuntersuchung gehen wenige
Alkohol, Nikotin, Kokain, Cannabis – fast egal, wirken alle auf das Belohnungssystem im Gehirn, indem sie den Dopaminspiegel erhöhen. Das bewirkt in der Großhirnrinde, dass man sich besser fühlt – und in der nächsten Belastungssituation wieder danach greift. Die Therapie suchtkranker Manager ist eine absolute Wachstumsbranche. Es gibt eine Form von verschreibungspflichtigen Antidepressiva, die SSRI (Selektive Serotonin Wiederaufnahme-Inhibitoren). Der Arzneimittelreport schreibt, dass Ärzte und Psychiater vor zehn Jahren pro Jahr insgesamt 42 Millionen Tagesdosen verschrieben, im vergangenen Jahr waren es 320 Millionen. Das ist fast achtmal soviel!
Und während sich seit Anfang der 70er Jahre die Zahl krankheitsbedingter Fehltage in Unternehmen fast halbiert hat, haben Krankschreibungen aufgrund psychischer Beschwerden wie Stress, Burnout, Depression in den letzten zehn Jahren um 76 Prozent zugenommen. Im vergangenen Jahr führten nur diese psychischen Erkrankungen zu 60.000 Frühverrentungen.
Was tun Sie für Ihre Gesundheit, damit Ihnen das nicht passiert? Vielleicht gehen Sie ja regelmäßig zur Vorsorgeuntersuchung. Zum großen Checkup? Belastungs-EKG? Großes Blutbild? Das tun viel zu wenige. Da schneiden schon Frauen nicht gut ab, wir Kerle aber noch viel schlechter. Was ist der Hauptgrund? Genau: Angst! Die Psychologen unterscheiden Hunderte von verschiedenen Ängsten. Aber die Hauptangst ist: Schiss vor dem Ergebnis! Er könnte ja was finden! Wussten Sie, dass 42 Prozent der bei Führungskräften in Gesundheits-Check-Ups gestellten Diagnosen den Managern vorher nicht bekannt waren?
Aber was noch viel schlimmer ist, als wenn der Doc was findet: Es geht Ihnen beschissen und er findet nichts. Was denn dann? Und wenn der Arzt dann aufgrund der Symptome und Anamnese auch nur andeutet, es könne möglicherweise etwas „Psychisches“ sein, dann stehn Sie auf und verlassen wortlos die Praxis. Etwas „Psychisches“? Hallo? Ich bin doch nicht bekloppt! Soll ich jetzt auf die Couch, oder was? Oder gleich in die Klappse? Diese Diagnose passt vor allem nicht in unser männliches Helden-Selbstbild: Wer es bis zum Arzt schafft, der schafft es auch ins Büro. Kreuzbandriss, das ist ok, da steht man in einem halben Jahr wieder auf dem Platz. Meniskus kaputt? Hey, Verschleiß, aber in zwei Wochen lauf ich wieder ohne Krücken. Auch „Rücken“ geht noch. Aber Psyche? Geht gar nicht! Wirklich heldenhaft wäre, sich das einzugestehen, ohne sich deshalb gleich als Versager, Lusche und Weichei zu verurteilen.
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